Fragt man auf der Straße nach dem bekanntesten österreichischen Schachspieler, wird garantiert der Name Dückstein unter den häufigsten Nennungen sein. Kein Wunder, dauert dessen große Karriere schon weit über 50 Jahre. Viel hat er zu erzählen, er, der eigentlich schon Großmeister war, der den regierenden Weltmeister besiegte, der mit allen Größen die Klingen kreuzte und der über 100 Länderkämpfe für Österreich bestritt.
In nahezu jugendlicher Frische feierte der topfitte Andreas Dückstein im August seinen 75. Geburtstag. Grund für einen Ehren-Artikel? Darüber wäre der bescheidene Jubilar garantiert nicht erfreut; auch der beste Interviewer könnte ihn nicht aus der Reserve locken. Aber er gibt seine Erfahrung gerne an den Nachwuchs weiter - daher ein ungewöhnliches „Interview“!
Juli, Sonne, Ferien, und ein großer Tag für 30 „Jungmeister“ beim „Schachimedes-Ferien-Schachcamp“ in Tauchen am Wechsel: IM Dückstein kommt einen Tag lang auf Besuch, gibt zuerst eine Simultanvorstellung und lässt sich dann geduldig zwei Stunden lang von den 10 bis 16-Jährigen richtig „löchern“. Hier die amüsantesten Fragen und Antworten:
Was war ihr größter Skalp?
„Das war bei der Olympiade 1958 in München der regierende Weltmeister
Michail Botwinnik. Er hat damals nur diese Partie verloren. Dabei verdanke ich
den Sieg nur der Sprachbarriere. Ich fragte meinen Kapitän, wie man einem
Russen Remis bietet, aber bevor ich bieten konnte, stand ich schon auf Gewinn.
Es war aber keine sehr gute Partie, die beste spielte ich gegen Pachman.“
Wie war das mit dem Großmeistertitel?
„In München 1958 hatte ich fünf Runden vor Schluß den
Großmeistertitel in der Tasche. Leider holte ich dann nur noch einen Punkt.
Hätte ich die letzten fünf Runden ausgesetzt, wäre ich Großmeister.
Aber das kommt ja nicht in Frage.“
Hat Ihnen das später leid getan?
„Nie. Man spielt ja nicht für den Titel, sondern für die Mannschaft!
Österreich hatte damals das A-Finale erreicht.“
Haben Sie sonst noch Größen geschlagen oder Remis erreicht?
„Gewonnen habe ich gegen Euwe und Spasski. Remisiert habe ich u.a. gegen
Smyslow, Spasski, Keres, Larsen, Kortschnoi.“
Wie haben Sie gegen Bobby Fischer gespielt?
„Schlecht!“ (Großes Gelächter) „Da habe ich mich
selbst umgebracht. Fischer, damals 16, hat vorher gegen den Schweizer Walter
mit Mühe remisiert, da habe ich gedacht, der ist ja schwach. Das war natürlich
Blödsinn!“
Waren Sie Schachprofi?
„Eine Zeit lang hab ich das überlegt. Dann hab ich gottseidank meine
Überlegungen wieder verworfen. Der Beruf war wichtiger. Ich hab eine Ausbildung
als Sportlehrer und das Jus-Studium abgeschlossen.“
Wie oft haben Sie für Österreich gespielt?
„Neun Olympiaden und über 100 Länderkämpfe.“
Waren Sie Staatsmeister?
„Drei Mal, 1954, 1956, 1977.
Ihre längste Partie?
„Das war 1952 bei der Wiener Stadtmeisterschaft. 135 Züge in 5 Tagen.“
Da gab es Hängepartien?
„Genau. Apropos Hängepartien. Österreich hat so viele Hängepartien
verloren wie kein anderes Land. 10-12 Hände ohne Kopf. Bei der Olympiade
Moskau z.B., da hatten wir im 40. Zug eine gewonnene Partie gegen Israel. Nach
vier Tagen war die Stellung verloren, weil alle analysiert haben.“
Gegen welchen Weltmeister würden Sie gerne noch einmal spielen?
„Gegen Tal, meinen Lieblingsweltmeister! Was er mir nach unserer Partie
(Zürich 1959) gezeigt hat, war nicht normal für mich. Hunderte Varianten
mit enormer Geschwindigkeit.“
Würde Kasparow gegen Capablanca gewinnen?
„Capablanca wäre in der Eröffnung unterlegen, er hat schon damals
die Theorie nicht gekannt.“
Und Kasparow gegen Tal?
„Ich fürchte, Tal würde gegen ihn und die anderen Weltmeister
nicht gewinnen, weil er zu viel opfert.“
Wer gefällt Ihnen heute am besten?
„Schirows Partien sehe ich gerne.“
Weil Sie auch ein Spieler sind, der gern opfert?
„Äh, ja!“
Wie bereiten Sie sich vor?
„Bis Mitte der 60-er Jahre habe ich meine eigenen Varianten studiert.
Aber meistens kommt die Variante gar nicht, oder wenn, dann spiele ich sie schlecht.
Also hab ich mich seit 30 Jahren auf keine einzige Partie mehr vorbereitet.“
Wie sollten wir uns vorbereiten?
„Als Junger sollte man schon eine Ahnung von der Theorie haben. Aber viele
wissen nur die Züge, kennen aber den Sinn der Eröffnung nicht. Ganz
wichtig sind das Mittelspiel und die Übergänge. Und vor allem das
Endspiel.“
Wie viele Elo haben Sie?
„Ich hab mich nie um die Elozahl gekümmert, ich wollte immer nur
spielen. Ob man gewinnt oder verliert, ist egal, Hauptsache, man spielt lustige
Partien.“
© Martin Stichlberger, erschienen in Schach-Aktiv (10/2002)
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