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Wiedermal kostete elementares und kollektives Schach-Unwissen Unmengen von Geld, diesmal mindestens 16.000 Euro. Millionenshow in RTL, die 32.000-Euro-Frage. An der Höhe der Frage sieht man schon, wie das Redaktionsteam den Stellenwert des Schachs einschätzt. - Danke. (Aber leider zurecht.) |
Welcher dieser Begriffe wird beim Schach verwendet:
Läufermesser - Damenschere - Springergabel - Bauernlöffel
Die Kandidatin wählte den Publikumsjoker und vertraute dessen Ergebnis: "Damenschere".
Nicht ausgeschert. Daher ausgeschnipselt.
Kaum zu glauben. Kein falsches Eckfeld, keine wirre Stellung, keine unmöglichen Züge. Alles stimmt. Erstmals erscheint dieses Bild von Stephan Eberharter. Steff hat, in normaler Stellung (könnte ein geschlossener Sizilianer gewesen sein) zwei Bauern und einen Springer mehr, den er offenbar soeben geschlagen hat. Sollte das gar das einzige Schach-Prominentenfoto sein, wo beim Schach alles stimmt?
Wie auch immer, eines steht fest: Klarer Sieg von Steff gegen Hermann Maier (siehe Tagebuchgeschichte Nr. 13) !
STEPHAN EBERHARTER |
HERMANN MAIER |
beide Fotos: News/ Zach-Kiesling |
Opernball. Soeben verrät der unvergleichliche Kari Hohenlohe im Fernsehen, was sein Ball-Täschchen beinhaltet: Ein kleines Magnetschach! Falls es fad wird.
Mir stellen sich zwei Fragen:
a) Ist er der Einzige?
b) Hat Mausi Lugner auch ein Magnetschach dabei?
So viele inhaltsleere, überfüllte, oberflächliche Schachbücher werden geschrieben. Eben entdecke ich in den unglaublichen "Notes" des Kult-Schachhistorikers Edward Winter (nur für Hartgesottene: www.chesshistory.com/winter) das inhaltsreichste, kürzeste, präziseste.
Der Leipziger Herausgeber Adolf Rögner veröffentlichte 1880 ein Schachbuch namens "Spielregeln für Nicht-Mitspieler", und zwar die "Vierzehnte, verbesserte Auflage". Es bestand aus Cover und Titelseite (links), einer Rückseite (betreffend Rögners Verlagsangebot) sowie einer einzigen Seite (unten rechts): "§§ 1-101: Halt's Maul!!"
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Quelle: www.chesshistory.com |
Präzision
Wer was zu sagen hat,
hat keine Eile.
Er lässt sich Zeit und sagt's
in einer Zeile.
(Erich Kästner)
Das schönste schachliche Weihnachtsgeschenk war für mich diesmal die Kurier-Schachecke vom Weihnachtstag. Warum sollte man sich nicht selbst ein Geschenk machen?
Als ich diese Komposition von Mark Adabashev vor einiger Zeit zum ersten Mal sah, traute ich meinen Augen kaum. Fein säuberlich wird die Stellung jedesmal eine Reihe nach oben gerückt.
Karajan hat einmal auf die Frage, warum er nicht
selbst komponiert, geantwortet:
"Warum soll ich schlechte Musik schreiben, wenn es so viel gute
gibt?"
Analog dazu stelle ich mir wiedermal die Frage: Warum sollte man eigentlich noch selbst Schach spielen ...?
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M. Adabashev, Vierfach-Rückzüger 1938:
Weiß nimmt seinen letzten Zug zurück und setzt stattdessen
in einem Zug matt!
Jede der vier Stellungen hat ihre eigene Lösung.
Hier die Lösung:
1) Zurück c2-c4, stattdessen 1.d4-d5#.
2) Zurück b4xc5, stattdessen 1.d5xc6 e.p.#.
3) Zurück b5xc6 e.p., stattdessen 1.d6-d7#.
4) Zurück c6-c7, stattdessen d7-d8S#.
Endlich auch amtlich: Schach ist Sport. Die BSO (Bundessportorganisation) hat den ÖSB (Österreichischen Schachbund) als ordentliches Mitglied aufgenommen. Und viele Schachfreunde, nicht nur verständlich euphorische ÖSB-Funktionäre, fordern vehement die Schachberichterstattung im Sportbereich der Medien, im Sportteil der Tageszeitungen.
Schach im Sportteil? Urteilen Sie selbst.
Alltagsgeschichte 14.7.2004: Rustam Kasimdschanow wird Schachweltmeister. Ich rufe bei meiner Kurier-Leben-Redaktion an, schildere die an sich tolle Story über den "unbekanntesten Schachweltmeister aller Zeiten" und meine sinngemäß, das müsse doch eine mittlere Geschichte samt Foto wert sein, außerhalb der wöchentlichen Schachkolumne. Ich erfahre, neuerdings interessiere sich die Sportredaktion für Schach. Warum nicht, denke ich, telefoniere alsdann mit dem diensthabenden Sportchef. Der ist begeistert: "Sehr gut, machen wir einen 70-er plus Foto." (70 Zeilen sind nicht gerade üppig, aber wenigstens was.) "Ach ja", sagt er, "heut' abend ist eine Fußball-Bundesliga-Runde, die braucht Platz, das heißt, der 70-er erscheint nur in der Abendausgabe, für die Morgenausgabe müssen wir dann etwas kürzen." Kürzen hört man ungern, rein schachlich gesehen. Da geht meist ein Nichtschachspieler über den Text drüber...! Also gut, 70 Zeilen. Kostet mich inklusive recherchieren, telefonieren, formulieren, formatieren, e-mailieren gut drei Stunden Arbeit. Seufz, und das meiste nur für die weniger gelesene Abendausgabe...! Kurier
vom 15.7.2004: |
Die Sportredaktionen müssen neben den überdimensionierten Dauerbrennern Fußball, Schi und Formel 1 noch hunderte Pimperlsportarten betreuen. Die Armen haben genug am Hals. Da kann Schach nur untergehen.
Bitte um Bedacht! Schach fährt medial viel besser, wenn wir betonen, dass es weit mehr ist als eine der unzähligen Sportarten. Kultur, Wissenschaft, Kunst, Philosophie, Unterhaltung, Spaß - was auch immer.
Ich für meinen Teil bevorzuge: Schach und Zeitung please, no sports.
"Mariandl" läuft im Fernsehen, gerade als ich zur Samstag-Runde aufbreche. Wer hätte gedacht, dass "Mariandl" das ideale Schachspieler-Lied ist?
Ich muss etwas gestehen. Ich leide an an einem bedauerlichen Tick. Vielleicht hat ihn mancher Gegner sogar schon bemerkt und fassungslos an eine akustische Täuschung geglaubt. Also: Jedesmal, wenn ich etwas einstelle, summe ich zwanghaft, ohne Wissen und Wollen, das Lied "Mariandl, andl, andl..."
Gewiss erinnert sich jeder an den Text:
Mariandl andl andl aus dem Wachauerlandl landl.
Dein lieber Name klingt schon wie ein liebes Wort.
Mariandl andl andl du hast mein Herz am Bandl Bandl.
Du hältst es fest und lässt es nimmer wieder fort.Und jedes Jahr stell ich mich ein.
Dran ist der Donaustrom nicht schuld und nicht der Wein.
Ins Wachauerlandl landl zieht mich mein Mariandl andl.
Denn sie soll ganz allein nur mein Mariandl sein.
Wenn ich also einen groben Fehler mache, beginne ich stets mit Vers 2 und summe resignierend:
"Und jedes Jahr stell
ich was ein. (Allfälliger Zusatz: "Nur ich allein." |
Warum sollte auch der Donaustrom schuld sein? Über den Wein lässt sich ja noch streiten. Und "jedes Jahr" ist leider auch eine äußerst beschönigende Darstellung.
Ja, lustig gemacht hab' ich mich in den Tagebuch-Geschichten Nr. 13, 22, 27, 31, 32 über seltsame Bretter und vertauschte Figuren. Aber wie sollen die Laien wissen, wie's gehört, wenn selbst die Weltmeisterschafts-Macher... !?
Hier das offizielle WM-Plakat:
Der Großmeister der Schachkuriositäten, Tim Krabbé, hat in seinem Tagebuch (Geschichte Nr. 259) noch krassere Beispiele zusammengestellt und bemerkt launig: "Vielleicht herrschen auf einem 8x12(14)-Brett andere Sitten."
Jünglinge sah ich die Jugend, Männer die Vollkraft der Jahre,
Greise die spärliche Glut opfern dem geistigen Kampf.
Ja genau.
Wer dem Hexameter ebenso wie dem Schach verfallen ist, möge
auf die neue Rubrik "Schach-Gedichte" (Menü Allerlei)
klicken.
Sklaven sind wir doch alle, auch da, wo wir Herrscher uns dünken:
Unwiderstehlich beherrscht uns das dämonische Brett.
Wie wahr.
"Ich möchte mich herzlich bei Ihnen bedanken", spricht mir Herr Ing. K. M. aus Wien 20, mit dem ich nie zuvor in Kontakt war, auf meinen Anrufbeantworter. "Nämlich zu dem grandiosen Bonus-Spiel in Ihrem Seminarprogramm vom Frühjahr. Ich habe wochen-, ja monatelang darüber gebrütet und habe mich schon so auf die Auflösung im Herbstprogramm gefreut. Auf die Lösung wäre ich nie gekommen." |
Das hat mich sehr gefreut. Erstens die Nachricht an sich, zweitens, dass sich jemand so mit einem einzigen Schachproblem beschäftigt. Wie wird Glücksforscher Mihàly Csikszentmihàly in der Krone zitiert: "Flow bezeichnet jenen Zustand, in dem ein Mensch ganz in dem aufgeht, was er tut. Hochkonzentriert, beseelt und spontan gerät er dabei in eine Art Trance. Er ist ganz im Hier und Jetzt und vergisst alles um ihn herum."
Csikszentmihàly weiter: "Zum ersten Mal habe ich so einen Moment im Krieg erlebt. Damals fand ich heraus, dass ich nur beim Schachspielen alles Bedrohliche vergessen konnte."
Beim Schach also! Möge Herr Ing. K. M. aus Wien 20 den langen Flow genossen haben.
Geahnt habe ich es schon, doch jetzt weiß ich, dass ich ein miserabler Schachjournalist bin. Oder wie würden Sie einen Schachjournalisten nennen, der nicht weiß, dass in seinem Wohnbezirk ein IM-Turnier stattfindet. |
Dem neuen Schach-Aktiv-Heft entnehme ich, dass in Ottakring ein IM-Turnier stattgefunden hat. Wahrscheinlich spielten die Internationalen Meister nur wenige Meter von meiner Haustür entfernt. Dabei hätt ich alles so gern gesehen. Wie man hört: Ein Wirtshauskeller als Spielsaal, ein Wuzler samt lautstarken Fans in der Mitte, keine Partieformulare in der ersten Runde, Abreise des Schiedsrichters.
Köpferl in Sand - Wien bleibt Wien!
Zu meiner Kinderzeit, als man ihn noch mit scharfem ß schrieb, stand im Wiener Kongresspark ein Riesenschach mit großen Figuren, das mich aber nicht annähernd so beeindruckte wie das rote Feuerwehrauto. Beides gibt es längst nicht mehr, und gar manches ist dort auch nicht mehr so, wie es mal war.
Kürzlich vergnügen sich meine Kinder (mangels Riesenschach) am gut besuchten Spielplatz, und ich beobachte (mangels Riesenschach) eine klassische Wiener Großmutter, resolut, energisch, mit männlicher Stimme und ebensolchem Körperbau. Sie hat alle Hände voll zu tun, um ihre beiden äußerst lebhaften Enkel halbwegs zu bändigen.
Plötzlich läutet das Handy der echauffierten Dame. Ich lausche:
"Hallo? Mir san jetzt im Kongresspark."
(Lauscht einer Frage und antwortet:)
"Na, is gar net so schlimm." (Kleine Pause.) "UNSERE
san die Tschuschen!"
Mit vier Worten findet die Dame nicht nur die kürzeste Version einer ganzen (Zeit-) Geschichte, sondern erklimmt dieselbe Stufe wie Torberg, Altenberg, Friedell, Kuh, Polgar, Farkas, Wiener ...
Im Wiener Arnold-Schönberg-Center wurde kürzlich die Ausstellung "Schönbergs Schachzüge" eröffnet. Der berühmte Komponist (1874-1951), Erfinder der Zwölf-Ton-Musik, entwickelte nebstbei auch ein Vier-Personen-Schach mit eigenen Figuren wie U-Boot oder Flieger. |
Ich hatte von Anfang an den leisen Verdacht, dass dies eher als kulturelles Ereignis zu sehen wäre und sich die Schachszene nicht sonderlich dafür interessieren würde. Gänzlich sicher war ich mir dann nach dem folgenden Dialog in Schachkreisen:
Mag. Ehn: "Wer kommt morgen zur Eröffnung der Arnold-Schönberg-Ausstellung?
Ist hochinteressant, der Schönberg hat nämlich ein Schach
für vier Personen erfunden."
Schachfunktionärin: "Ah so, der hat des erfunden? Kummt
der a hin?"
Sie lauert überall am Schachbrett, zu jeder Zeit, in jeder Partie, an jedem Ort: die große Berühmtheit. Die schachliche Unsterblichkeit. Die EINE Traumkombination, mit der man in alle Bücher eingeht. Von der noch die eigenen Urenkel schwärmen werden.
Engel -Tarko, Wien 2004 |
Da schlendere ich unlängst durch die Reihen der
Wiener Jugendlandesmeisterschaft. Mein Blick bleibt bei einem
Brett (links) hängen. Der Weiße zieht soeben 1.Dxh7+!!,
steht auf und spaziert mit breitem Grinsen im Turniersaal herum.
"Ich weiß gar nicht, ob ich diesen Zug gesehen hätte",
denke ich. Während Schwarz überlegt, scharren sich die
Zuseher ums Brett. Jugendreferent Kuthan und ich wechseln einen
amüsierten Blick. Ich bin sicher, genau wie ich sucht er bereits
fieberhaft nach einem Versteck für die schwarze Dame... Es folgen die Züge 1...Kxh7 2.exd5+. Weiß gedenkt, mit diesem Abzugsschach die De7 zu gewinnen und eine ganze Figur erobert zu haben. |
Sein fröhliches Lächeln erstarrt, als Schwarz 2...Te4!! findet (Diagramm links). Der Weiße schüttelt den Kopf, das hat er übersehen - offenbar verhaut, die Kombination?! Mit eingefrorenem Lächeln zieht er rasch 3.Lxe4+??, vielleicht noch hoffend auf 3...g6?? 4.Lxg6+, doch Schwarz zieht natürlich 3...Kh8 und spielt die Partie trocken heim. |
Nachher erzählten wir dem Weißen, wie knapp er an der schachlichen Unsterblichkeit vorbeigeschrammt ist! 3. Txe4!! hätte eine einmalige Situation ergeben und für Weiß gewonnen: Die schwarze Dame findet nirgends ein Versteck vor dem drohenden Abzugsschach. Weiß behält jedenfalls eine Figur mehr.
Das wär's gewesen, eine Kombi, die jedem Großmeister Ehre gemacht hätte: Damenopfer, Abzugsschach, Parade durch Zwischenzug, tödliche zweite Abzugsdrohung!
* * * * * * * * *
Das erinnerte mich sofort an eine wunderbare Studie, die dieses Abzugs-Motiv auf unglaubliche Art zeigt:
Weiß soll gewinnen? Unmöglich, denkt
man, Weiß sollte lieber schleunigst die Dame schlagen und
Remis sichern! Nein, der grandiose Zug 1.Ld7!! hält die Abzugsdrohung aufrecht. Die schwarze Dame hat das ganze Brett frei, kann sich aber nirgendwo vor dem Abzug verstecken. - Außer paradoxerweise hier: 1...Dh3!!. Nun aber führt das Abzugsmanöver 2.Tf5+! Kb4 3.Tf4+ zum Gewinn. |
J. Hoch, Schluss einer Studie 1973, Weiß am Zug gewinnt |
Während eines Schirennens dieses Fernseh-Wochenendes sagte plötzlich die beste Ehefrau von allen (weil sie's ja gar nicht ist) zu mir: "Stell Dir vor, Schach wird Sport und ...!"
Entsetztes Schweigen trat ein. Welche Vision! Schach würde endlich als Sport anerkannt. Und würde live stundenlang im TV-Sport-Nachmittag übertragen werden. Und dann? Dann? Ja dann, dann würde Robert...
Schach als Sport? Bitte alle diesbezüglichen Bemühungen sofort einstellen! Noch ein Glück, dass Robert Seeger nur Schirennen und noch keine Schachpartien kommentiert.
Und inbrünstig Recht geben wir Frau Pollak aus Torbergs Tante Jolesch, dass Gott einen behüten soll vor allem, was noch ein Glück ist.
Wollen Sie neben Rauchen und Trinken allenfalls auch Schach aufgeben? Nun weiß ich endlich, wie's geht.
Gestern machte ich ein Interview mit dem erstaunlichen Tunc Hamarat, der soeben das Kunststück zuwege brachte, Fernschachweltmeister zu werden (hier mein Manuskript, falls es interessiert). "Ich habe Schach satt!", verblüfft der Weltmeister. "Das ist so wie ein All-Inclusive-Buffet. Wenn Sie einige Tage gevöllert haben, können Sie das Essen nicht mehr sehen."
Nach dem Verabschieden, als leisen Nachsatz, schenkte mir der Philosoph ein Zaubermittel:
"Und wenn Sie einmal Schach aufgeben wollen, dann treffen Sie sich 10 Minuten mit mir, dann geht die Lust weg!"
Warum lacht der Spieler rechts so? Ist
dieses Lachen Fotos können Geschichten erzählen. Schnappschüsse von Schachpartien können ganze Tragödien offenbaren. Ein Foto von meinen Ferien-Schachcamps. Die Miene des Weiß-Spielers (links) lässt erkennen: Er hat verloren. Ja, der Arme ist in ein Grundlinienmatt gelaufen. Schon hat er begonnen, die Figuren zusammenzuschieben (wie man an den Bauern merkt, die ursprünglich auf der 2. Reihe standen). Also: Wie ist das Lachen des Schwarz-Spielers (rechts) zu deuten? |
Fotos: Kova |
Das nächste Foto zeigt, wie.
Denn die Schlussposition lässt die Tragödie vor unseren Augen auferstehen. Weiß hatte zuletzt mit Te1xe6 Material gewonnen, dabei aber das Matt durch Dc3-a1 übersehen. Deshalb lacht der Schwarze. Aber nicht nur. Das Lachen ist weit fieser: Er freut sich gerade diebisch darauf, dem Weißen den Zug Te6-e1+ (Schach!) zu zeigen, womit dieser verdient gewonnen hätte: Nicht nur ist das vermeintliche Matt abgewehrt, sondern auch die Dame a1 erobert.
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Alles ein Bluff. Schach - ein Glücksspiel! Aber das wissen wir ja zur Genüge. Viel "Glück" 2004!
19.51 Uhr MEZ. Soeben schlägt Computer Brutus seinen Kollegen Fritz, der immerhin vorige Woche das Duell gegen Kasparow unentschieden gehalten hat. Jetzt liegt Brutus bei der Computer-WM in Graz alleine in Führung.
Das wär' was, Österreichs
Brutus Weltmeister! Und der Vöcklabrucker Meisterprogrammierer
Dr. Christian Donninger, auch Schi-Langlaufwart im Waldviertel,
als Weltmeistermacher!
In Tagebuch-Geschichte Nr. 8 habe ich seinerzeit weitere Donninger-Schnurren versprochen. Brauch ich ja nur abschreiben, was Chrilly heute im Radio- Ö1-Feature "Leporello" von sich gab. Eine Düse! |
Foto: Chess 03 |
"I zum Beispiel spiel nimmer gegen a Programm, bin ja net wahnsinnig."
Sicher spielt Donninger gerne Schach?
"Na. Überhaupt net."
Ob ein Match gegen Kasparow zustande kommt?
"Ja, wenn er si traut!"
Und weiter:
"Der Kasparow is net sehr guat!"
Ah so ?!?!
"Also is a guater Schachspieler, aber spielt gegen Programme
schlecht."
Donninger schimpft auch mit Brutus. Wie?
"Na ja, Trottel du, oder so. Blöder wie mei Hund!"
Die Begründung: Wenn im Raum, wo Brutus spielt, ein Feuer ausbricht, würde Brutus munter weiterrechnen, während der Hund wenigstens so g'scheit wäre, hinauszurennen! - Bestechend!
In der Kronen-Zeitung entdecke ich ein Foto, mit dem für das Wiener Spiele-Fest geworben wird. Nicht mit einem der unzähligen neuen Spiele, sondern mit dem ewigen Dauerbrenner "Schach" - wie erfreulich!
Nach den Zügen 1.e2-e4 e7-e5 will Weiß gerade mit 3.Dd1-f3 Schustermatt drohen. Der Blick des Schwarzen lässt ahnen, dass er nicht drauf reinfallen wird. Alles ok am Brett, oder?
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Apropos Schach und Kronenzeitung. Warum gibt's in der Krone seit Jahrzehnten hartnäckig keine Schachkolumne? Das geht der Fama nach auf einen alten Streit aus den 70-er Jahren zwischen ÖM Ing. Gerhard Bruckner, inzwischen verstorbenem Schach-Hans-Dampf-in allen-Gassen, und Krone-Chef Hans Dichand zurück. Da flogen die Fetzen bis zur Gerichtsanhängigkeit. Und Dichand soll gesagt haben: "Solange ich lebe, kommt mir nie mehr Schach in die Krone!"
PS: Schauen Sie mal auf die Nummerierung!
Fast hätte ich soeben einen Auffahrunfall gebaut. Hängt doch allerorts ein Werbeplakat mit Schach herum. Nicht FÜR Schach, aber immerhin MIT Schach. Wie erfreulich, dass sich die Werbewirtschaft der positiven Attribute des Schachs bedient.
Wir haben ja seinerzeit eine große Werbekampagne FÜR Schach vorgeschlagen. Und dafür bereits massenhaft Fotos in der Schublade. Das Affichieren von Portraits von Schachspielern, und darunter der Text: "Trotzdem Schach spielen!"
(Ich entschuldige mich halbherzig für diesen geschmacklosen Scherz. Jetzt grübeln immerhin alle, die je von mir fotografiert wurden.)
Uniqa
Also, zurück zum Uniqa-Werbeplakat, ein wirklich schönes Bild, ein Meisterfoto. Nicht nur die Tatsache des Sujets überhaupt ist erfreulich, sondern auch der richtige Beistrich im Text. Aber was die Hauptsache ist, die Figuren stehen richtig! Oh Wunder! Keine Fantasiestellung wie üblich (in anderen Tagebuchgeschichten zuhauf zu sehen), eine sinnvolle, alltägliche Stellung.
So viel erkennt man: König g1, Dame e2, Türme f1 und d1, Springer c3 und f4, Läufer b2, Bauern h2, g2, f2, d3, b3, a2. Sollte es gelungen sein, dass in Verbindung mit Schach alles richtig ist?
Nein. Wieder nicht. Was ist falsch?
? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?
Auflösung:
In der Brille sieht man die Stellung doch gespiegelt! Damit sind
zwei Anfänger am Werk, die nicht einmal das Brett richtig aufstellen
können! Es ist um 90 Grad falsch aufgestellt (weißes Feld
a1). Weiß hat (womöglich ein Feld zu weit) lang rochiert,
und die Figuren stehen dämlichst herum.
Aber - kommt's darauf an?
PS 20.10.:
Aufgrund der massiven Leserreaktion stelle
ich den philosophischen Gedanken in den Raum, ob der "Fehler"
aus optischen Gründen bewusst gemacht wurde. Ich jedenfalls hätte
ihn ung'schaut absichtlich eingebaut (und traue dies auch den Plakatmachern
zu).
Denn wie wir ja wissen, ist es oft besser, etwas falsch zu machen. (Siehe
dazu auch die Tagebuchgeschichten 6 und 26.)
Dem Bericht über die Damen- und Herreneuropameisterschaft im aktuellen Schach-Aktiv-Heft entnehme ich den Satz: "...Werner Stubenvoll, der Hauptschiedsrichter bei den Damen und Paarungsbeauftragter bei beiden Turnieren war, waltete souverän seines Amtes."
Die wichtige Funktion eines Paarungsbeauftragten nur für Damen- oder Herren-Bewerb einzuführen, würde am Zweck vorbeizielen.
So aber freuen wir uns auf viele junge Großmeister.
Meister bin ich zwar nicht. Aber - so viel Eigenlob muss sein - ich kenne alle Eröffnungsfallen von hier bis Texas. Habe sie hunderte Male im Schulschach, auf Schachcamps und auf Seminaren gepredigt. Tausende Beispiele gesammelt. Und wenn ich eine nicht kenne, dann rieche ich sie förmlich am Brett.
Jene Falle, die ich wohl am öftesten, hunderte Male gezeigt habe,
ist diese:
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sd4?! 4.Sxe5? Dg5! (Diagramm),
und Weiß ist verloren, egal wie er spielt. Fast zu simpel, als
dass jemand hineinfallen könnte. Nach 3...Sd4 schöpft fast
jedermann Verdacht.
Noch nie also bin ich in den ersten 10 Zügen überlistet worden. Bis vor kurzem. Denn dann kam Sieggraben.
Beim Schnellturnier hatte ich Schwarz gegen den Meisterkandidaten
Wurdits, ein burgenländisches Urgestein im besten Sinn, über
seine Glanzzeit hinaus, aber noch immer listig und gefährlich.
ÖM Pöcksteiner hatte mir am Vortag gesagt: "Mit Weiß
steht man nach wenigen Zügen haushoch überlegen, aber dann
schleudert er einen Überraschungszug nach dem anderen heraus und
man verliert noch. Mit Schwarz gewinne ich gegen ihn ohne viel Mühe."
Immerhin beruhigend, dass ich Schwarz hatte. Und so verlief die Partie.
Wurdits (weiß) - Stichlberger (schwarz), Juni 2003:
1.e4
Sf6 Meine Einladung zu Aljechin.
2.d3 Nicht, so nicht.
2...e5 Kann ja nicht schlecht sein.
3.f4!? Was ist das? Eine Art Königsgambit mit d3? Nie gesehen.
3...Lc5?! Figuren hinaus! Schon hatte ich meinen nächsten Zug
im Auge. Wird er "hineinfallen"? Mit Schwarz gewinnt man ja
leicht...!
4.fxe5 Ja!
4...Sxe4 Gewinnt, dachte ich, denn 5.dxe4 scheitert an Dh4+ 6.g3
Dxe4+.
Jedoch (blitzschnell hinausgeschleudert): 5.Dg4!! (Diagramm).
Genau dasselbe Motiv wie oben, das ich schon jahrzehntelang vorgetragen
hatte, das ich im Schlaf kenne, nur mit vertauschten Farben! Und das
mir! Nach 5 Zügen!
Ich wollte es nicht glauben. 10 meiner 15 Minuten starrte ich stier und stumm aufs Brett und überzeugte mich, dass Schwarz tatsächlich verloren ist. Bei 5...Lf2+ 6.Ke2 geht Läufer oder Springer verloren. Noch schlimmer ist 5...Lxg1 6.Txg1 Sc5 7.Dxg7 Tf8 8.Lg5. Auch mein Versuch 5...Sf2 führte zu einer Stellung jenseits von Gut und Böse: 6.Dxg7 d5?! (Tf8? Lg5!) 7.Dxh8+ Kd7 usw.
Somit flog ich genau in jene Falle, die ich am öftesten
vorgetragen hatte. Wurdits hatte mich mit einer kuriosen Zugfolge drangekriegt!
Der (ungerechte) weitere Partieverlauf ist dann wieder eine andere Geschichte...
Zum Glück wurde ich am 26.4.1974 in ein und derselben Partie zwei Mal matt gesetzt. Sonst stünde ich jetzt vor dem Ruin...!
Vor einigen Monaten schrieb ich in der KURIER-Schachecke über eine interessante Geschichte.
Ein kurioser Streitfall beschäftigte den obersten Schiedsrichterboss des Weltschachbundes: Bei einem Turnier in Holland setzte ein Spieler den Gegner matt. Keiner der beiden bemerkte es, und die Partie ging weiter. Wie's der Teufel will, gewann der mattgesetzte Spieler. Beide unterschrieben dieses Ergebnis am Partieformular. Erst bei der Analyse fiel der Irrtum auf.
Wer hat nun gewonnen? Soll und kann das Resultat noch korrigiert werden?
Dazu zwei Regelbestimmungen:
1) Matt beendet die Partie endgültig.
2) Das auf den Partieformularen angegebene Ergebnis bleibt aufrecht, außer der Schiedsrichter entscheidet anders.
Damit ist die Sache klar. Matt beendet die Partie, egal, was nachher passiert. Daher sollte der Schiedsrichter das Resultat korrigieren: Der Mattsetzende gewinnt!
Nicht geregelt ist, bis wann dies möglich ist. Bis zur nächsten Runde, bis zum Ende des Turniers - oder gar Wochen, Monate, Jahre später? Und würden rückwirkend Folgen für Turnierergebnis, Preisgeld, Elowertung, Meisternormen eintreten?
"Sicher erfunden. So dumm kann doch niemand sein!", hörte ich nachher. "Wohl nicht!", lachte ich unauffällig.
Heimlich des Nachts kramte ich in meinen Mappen und holte ein leicht vergilbtes Partieformular hervor.
(Diagramm) Wiener Jugendstadtmeisterschaft 1974.
Weiß: Raimund "Böhsi" Böhsmüller,
heute Meisterkandidat und routinierter Staatsliga-B-Spieler;
Schwarz: Martin Stichlberger.
Es folgte 20.The1+. Unter uns gesagt, Matt, aber: 20...Kf6!?!?
21.Txd8 (An sich noch immer Matt.) Kg7!?!? 22. Tee8 f6 (Endlich
aus dem Matt draußen!)
Fünf Züge später wurde ich dann (ein zweites Mal) völlig
korrekt mattgesetzt.
Zum Glück! Zum Glück!
Denn was würde passieren, hätte ich die Partie doch noch gewonnen? Sofort nach Veröffentlichung dieser Geschichte würde "Böhsi" auch heute noch - völlig zu Recht - sein Matt einfordern, dazu ein paar Elopünktchen und einen Sprung von 3 Plätzen in der Endtabelle. Die denkbare kausale Folge: ein Schachlehrbuch als Preis, ein aufbauender Handschlag des Wiener Schachverbandspräsidenten, eine Einberufung in den Jugendkader, Gewinn der Jugendstaatsmeisterschaft, eine Meisternorm mit 17, eine Großmeisternorm mit 20, den Großmeistertitel mit 22, Abonnementstaatsmeister in den 80-er Jahren, eine Profilaufbahn, WM-Kandidat, Weltmeister, FIDE-Prädident, Bundespräsident. Mehrere Anwälte würden die Differenz in seiner Vermögenslage einfordern, samt Anwaltkosten und womöglich seelischem Schmerzengeld...
Aber ich habe verloren und bewahre das Partieformular daher gerne als Unikum auf. Als einziges aller meiner enthält es zwei fein säuberliche Zeichen "#".
Strategen, Meisterdenker, Intelligenzbestien, das sind sie in den Augen der Normalbürger, die Prominenten am Schachbrett.
Zu den Feiertagen, lang versprochen, mein Lieblingsbild* aus dem Jahr 1993 (Fotos: NEWS).
Am Brett, schneidig, konzentriert, Dr. Jörg Haider, natürlich mit Weiß (am Zug) gegen die Schwarzen. Der Miene nach zu schließen, ist der Zug, den er gerade mit seinem Springer ausführen will, ziemlich gewagt. Hier zum besseren Überblick die komplette Stellung (aus beiden Fotos rekonstruiert). Natürlich noch ohne den über dem Brett schwebenden Springer:
Wir stellen fest:
Haider spielt ohne Dame, dafür mit zwei weißen Läufern.
Nun zieht er mit einem Springer, obwohl
a) er mit dem Läufer d7 die De8 schlagen könnte;
b) er mit dem Läufer b1 den Th7 schlagen könnte;
c) er mit dem Bauern b3 den Sc4 schlagen könnte;
d) er mit dem Springer c6 den Ta5 schlagen könnte;
sowie schließlich
e) er gar nicht am Zug ist, da der schwarze König im Schach
steht.
Ein weiterer Schnappschuss aus der Fotoserie zeigt, auf welchem Feld der Stratege den zweiten Springer mit zufriedener Miene auslässt.
Auf e6. Also Doppelschach! Das einzige Doppelschach von zwei Springern in der gesamten Schachliteratur.
Schlüsse, wieso und warum, darf jeder selbst ziehen:
a) Entweder, Haider setzt sich auch hier über alle Regeln hinweg.
b) Oder, er kann gar nicht Schachspielen.
c) Oder beides.
PS:
1) * Großen Dank für das ausgegrabene Foto an Parade-Schachhistoriker
Mag. Michael Ehn, der alles sammelt, was mit Schach zu tun hat.
2) KURIER-Kolumnist Hufnagl hat dem Haider-Bild
ein "Kopfstück" gewidmet. (Zum
Hufnagl-Kopfstück)
3) Andere Promis am Schachbrett: Siehe Tagebuchgeschichten
23, 22, 13.
Bei einer der letzten ORF-Millionenshows wäre ich glatt mit 0 Euro ausgestiegen. Und das wegen einer Schachfrage! Blamabel!
Die Frage lautete:
"Wie viele Figuren hat jeder Spieler zu Beginn einer Schachpartie?"
Antwortmöglichkeiten: A: 8 - B: 16 - C: 32 - D: 64
Ich hätte natürlich 8 gesagt (schließlich hat man acht Figuren und acht Bauern) - und wäre rausgeflogen! Richtig wäre gewesen (wie Assinger sagte:) "selbstverständlich 16".
Jeder Profi unterscheidet zwischen Figuren und Bauern.
Bei "Figurenverlust" verliert man keinen Bauern, sondern
eben mindestens eine Leichtfigur.
Bei "Figurenopfer" opfert man keinen Bauern, sondern
eben mindestens eine Leichtfigur.
Bei "Figurenabtausch" tauscht man keine Bauern, sondern
eben mindestens eine Leichtfigur.
Wenn "eine Figur hängt", hängt kein Bauer,
sondern eben mindestens eine Leichtfigur.
Was lernt man daraus?
Oft ist es besser, nicht zu viel zu wissen.
PS 3.8.08: Schachfreund Daniel Lieb aus Bad Ischl weist mich darauf hin, dass die Formulierung in den offiziellen FIDE-Regeln lautet:
Art 2.2: At the beginning of the game one player
has 16 light-coloured pieces (the "white"
pieces); the other has 16 dark-coloured pieces (the "black"
pieces).
Offizielle deutsche Version:
Zu Beginn der Partie hat ein Spieler 16 helle ("weiße"),
der andere 16 dunkle ("schwarze") Figuren.
Was wir nun daraus lernen, weiß ich selbst nicht...
Höchste Vorsicht bei Überschriften. Sie könnten Ihr Fortkommen beeinträchtigen.
Meine erste Schachkolumne in der Kurier-Freizeit hieß Kenner-Könner-Kuriosa (1989-92), wobei drei Beispiele mit jeweils einer Überschrift versehen waren. Sie wurde über Nacht abgesetzt. Warum musste ich auch dieses Titeltrio wählen? "Trugschluß - Trickschluß - Schlußtrick."
Die Nachfolge-Kolumne (Schachimedes, 1992-95) wurde ebenso plötzlich abgesetzt. Letzter Titel: "Ewig währt am längsten".
Ab 1995 war ich auf der Hut, verzichtete schweren Herzens auf solch grandiose Wortspiele wie "Wer zuletzt lacht...", "Anands end" oder "Der letzte Tango", vermied umsichtig die Begriffe "Einstellen" und "Ewiges Schach" und ersetzte sicherheitshalber das Wort "Matt" durch "Patt".
Leider wurde ich nach Jahren leichtsinnig. Bei einer Geschichte über die zahlreichen Querelen bei der Wiedervereingung der WM-Titel konnte ich kürzlich der (bei aller Bescheidenheit) genialen Alliteration "Zaster, Zank & Zores" nicht widerstehen.
Die Kolumne mit dem Titel "Zaster, Zank & Zores" flog nun bereits zum 3. Mal wegen akuten Platzmangels raus. Recht geschieht mir.
Tipp für alle Radiohörer: Im Ö1-Radiokolleg ist von 24.-27. Februar jeweils von 9.30 bis 9.45 Uhr eine Serie über Schach zu hören.
Über Themen wie Schach im Alltag, Schachgeschichte oder Kasparow gegen Computer Deep Junior sind Interviews mit Österreichs allwissendem Schachhistoriker Michael Ehn, Neo-Großmeisterin Eva Moser, GM Ilia Balinov sowie mir zu hören.
War ganz lustig, im Funkhaus zu verschiedensten Themen zu plaudern.
Nicht zu hören ist Schachprofi Staatsmeister Niki Stanec. Denn Gage für das Interview wollte der ORF nicht zahlen. Sapperlot. Ein hartes Brot, Schachprofi in Österreich.
Kleines Quiz für alle Tagebuch-Freunde.
Hier sitzt eine Weltmeisterin am Schachbrett (Originalfoto
Stichl). Erkennt sie jemand?
Frage 1: Wer ist es?
Frage 2: Bereits nach wenigen Zügen ist es der Meisterin
gelungen, den Gegner aus der Theorie zu werfen. Mit welchen Zügen,
tippen Sie, kam diese Stellung zustande?
Antworten an stichl@schachimedes.at.
Auflösung am Ende der Schi-WM. (?!)
Unter allen richtigen Einsendungen wird verlost:
Eine ehrende Erwähnung in diesem Tagebuch sowie eine Schiabfahrt
mit Schachimedes.
Lösung:
Kein einziger Einsender hat richtig getippt, somit gibt es leider keinen Gewinner der Schiabfahrt mit Schachimedes (selbstverständlich inklusive einer Woche 5-Sterne-Hotel samt Schipass am Arlberg).
Am Brett sitzt keine Schach-, sondern eine Schi-Weltmeisterin: Petra Kronberger, Abfahrts-Weltmeisterin 1991 (WM Saalbach). Wie kommt eine Schiweltmeisterin ans Schachbrett? Indem sie die Fußball-WM Italien 1990 besucht, wo die Fotos geschossen wurden. (Erklärung folgt nicht.)
Die Zugfolge wird durch die Fotos unten klar bewiesen:
1.d2-d4 Sg8-f6 (Foto links) 2.Lc1-g5 Sf6-e4 (Foto
rechts) 3.Lg5-c1!? d7-d5 (Foto oben).
Fotos: Stichl
Im Gegensatz zu vielen Prominenten, die sich am Schachbrett als kühle Denker fotografieren lassen, hat die freundliche Petra gar nicht behauptet, gut Schach spielen zu können, und hat die Sache sichtlich mit Humor genommen.
Fortsetzung der Serie "Prominente am Schachbrett" (siehe Tagebuch Nr. 13).
Heute am Brett: Österreichs sogenannte Sexpertin Gerti Senger. Dass Weiß offensichtlich nur mit Springern vor- und zurückgefahren ist, während der schwarze König in die Brettmitte gewandert ist, fällt unter Privatvergnügen.
Gerti Senger jedoch gilt als Spezialistin für die Problematik "männlich/ weiblich". Deshalb (?) erkennen wir auch in der Grundstellung den weißen König links von seiner Dame, also am Feld d1, die Dame am Feld e1. Dame und König vertauscht. - Rollentausch? Partnertausch?
"Stimmt doch ohnehin!", wird jemand einwerfen, "Die weiße Dame steht richtigerweise am weißen Feld!" - Was ist da los? Ah, rechts unten ein schwarzes Feld statt ein weißes!
Fazit: Zwischen Dame und König kann es nicht funktionieren. Falsche Stellung.
Nr. 21: Letzte Worte (2.1.03)Seit langem kursieren die nicht unlustigen "Letzte-Worte-Witze" (erlesene Beispiele rechts). Hunderte davon sind auf diversen Homepages gesammelt. Ich eröffne hiermit feierlich die Sammlung "Letzte Worte nach einer verlorenen Schachpartie" - selbstverständlich nur mit echten Exemplaren! Wer kennt das nicht: Wenn der Verlierer schon nicht gewonnen hat, muss er nach der Partie zumindest das letzte Wort haben! |
Letzte Worte ... des Beifahrers:
"Rechts geht es!" |
Letzte A-Liga-Runde der Herbstsaison. Mein Brett-1-Teamkollege Andi P., zwar kein Meister, aber doch einer, der weiß, was er tut (immerhin hatte er knapp zuvor einen 2500-er- GM geschlagen), also Andi P. hatte einen uns Unbekannten zum Gegner, so dass wir rätselten, ob dies ein "echtes Brett 1" oder etwa ein "Opfer" wäre. Die Frage löste sich schnell, denn der Gegner zählte beim Zugnotieren die Koordinaten mit dem Finger ab, spielte die Eröffnung schwach, stellte nach 11 Zügen eine Figur und nach 19 Zügen zugleich Dame und Matt ein. Sein Kommentar zu Andi P. nach der Partie ("Letzte Worte"!): "Aber Eröffnung hast du sehrrr schlecht gespielt!"
Das erinnert an die denkwürdigen Letzten Worte des bekannten Meisters L. K. (von wenig wohlmeinenden Zeitgenossen Kwatschkopf genannt), der vor Jahren gegen meinen Klubkollegen Thomas H. verlor und ihn danach anfuhr: "Warum spielst Du so schlecht? Da kann ich nicht spielen!"
Wir warten gespannt auf weitere Beispiele.
Übrigens: Wer eine Aufnahme in diese Sammlung vermeiden willl, halte sich an das lettische Sprichwort: "Wenn du deinem Gegner nach der Partie Stärke beweisen willst, drücke ihm die Hand!"
Bis heute rätsle ich ernstlich, ob dieses Sprichwort vor Lauterkeit strotzt oder gar etwa hintergründig gemeint ist. (Au weh!)
Verlieren ist leicht. Aber so verlieren, dass alle anderen ihren Spaß daran haben, ist schwer. Geradezu eine Kunst.
Den Preis für die beste Verlustpartie verleihe ich heuer folgender Partie, gespielt bei der Schacholympiade in Bled. Weiß, eine 16-jährige Philippinin mit immerhin über 2300 Elo-Punkten, besitzt seit bald 30 Zügen einen Mehrbauern und ist der Verwertung bereits sehr nahe gekommen. Gewinn ist nur noch eine Frage der Zeit - aber das wäre ja keine Kunst!
Daher beschließt Weiß, ein zauberhaftes Hilfsmatt zu verwirklichen, und findet die formvollendete, konsequente und studienhafte Zugfolge!
Caoili - Medic, Bled 2002
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Von Matt keine Spur, oder? 1.Kg3! Zunächst wird der König zügig an den Ort des Verderbens geführt. 1...Kf8 2.Kh4! Kg7 3.Kh5! a4 Jetzt muss noch der Rückzug verbaut werden: 4.h4!! Natürlich! 4...Kh7 (Diagramm rechts) | Was ist jetzt noch zu tun? Schwarz muss zum Mattsetzen eingeladen werden! 5.Lxd7! Lxd7 6.Lxf6!! Und Schwarz darf das Kunstwerk vollenden: 6...Le8 matt! Wer würde das in der Ausgangsstellung vermuten? |
Wie tief sind Sie gesunken, über so eine Tragik auch noch zu lachen?
Lachen darf nur, wer das selbst schon erlebt hat.
Also dürfen Sie, nehm ich an.
Ich auch:
Nommsen - Stichlberger, Wien 1987
Als Schwarzer hatte ich zunächst versucht, das leicht bessere Endspiel zu gewinnen. Gewinnen konnte ich immerhin das: Den 4. Preis in der Jahrzehntewertung der "Blunzenzüge" meines Vereins.
Mit 1...Le8!? zog ich den Läufer zunächst zur Verdeutlichung des Motivs von der Diagonale b1-g6 ab. 2.Le3 f5!! Dann versperrte ich diese Diagonale, damit der Läufer anschließend nicht Schach geben konnte. Nach 3.Kc2 war das Hilfsmatt durch 4.b3 aufgelegt.
Ein kleiner Schönheitsfehler war mir aber doch passiert (darum wahrscheinlich der 4. Platz). Da das Matt durch das Figurenopfer 3...La4+ abgewehrt werden hätte können, wäre 1...Lf7!!! eine Spur genauer gewesen.
Schach als humoristische Sternstunde gestern in der RTL-Millionenshow "Wer wird Millionär" - das sieht man gerne!
"Wie hieß der Computer, der kürzlich gegen Weltmeister Kramnik spielte?", lautete die Frage. Die Antworten "Deep Purple" und "Deep Impact" ließ die Kandidatin durch den 50:50-Joker eliminieren. Übrig blieben "Deep Fritz" und "Deep Throat". Das Publikum stimmte mittels darauffolgendem Publikumsjoker mit 55% für "Deep Throat". Der staunende Moderator Günther Jauch tat alles, um die Kandidatin auch noch zum dritten Joker, dem Telefonjoker, zu überreden. Auch der Telefonhelfer empfahl "Deep Throat". Die Kandidatin antwortete dennoch "Deep Fritz", blieb also im Rennen - und Jauch hatte seine Sternstunde! Denn: "Deep Throat" ist ein bekannter Pornofilm-Klassiker der 70-er und 80-er-Jahre!
War mir bekannt. Natürlich aus rein journalistischem Interesse. Wirklich! Nämlich wegen folgender Geschichte:
Computer "Deep Blue", der Kasparow-Bezwinger, hieß jahrelang "Deep Thought". Irgendwann fiel den Programmierern die fatale Verwechslungsgefahr mit "Deep Throat" auf und sie benannten das Programm einfach auf "Deep Blue" um.
Ja. So harmlos ist das.
Wiedermal Bodyguard im Fernsehen gesehen. In einer Szene spielt Kevin Costner mit seinem Vater Schach, und der Filmsohn von Whitney Houston empfiehlt laut und deutlich den Zug: "Springer k4".
Nanu? Jeder von uns hat sich schon gewünscht, mit dem bedrängten König von h8 nach h9 oder i8 flüchten zu können. Aber die k-Linie ist doch ein bisschen weit?
Was lernen wir daraus fürs Leben? - Der Dialog-Übersetzer war erstens Schachbanause und zweitens Ignorant.
Das englische "Knight K4", also Springer aufs 4. Feld der Königslinie, heißt natürlich (wenn Weiß zieht): "Springer e4".
Dabei kann man von Glück reden, dass im Manuskript nicht die Kurznotation des Zuges aufscheint. Um die Verwechslung mit King auszuschließen, wird Knight ja mit N abgekürzt, also: NK4.
Knapp vorbeigeschrammt am Zug "Nacht k4".
Eben ist die Olympiade im slowenischen Städtchen Bled zu Ende gegangen. Immer wenn ich Bled höre, muss ich an die Ansichtskarte denken, die mir Meister Helmut Waller vor Jahren einmal geschickt hat. Der fidele Regierungsrat, der für einen guten Witz jederzeit sogar eine Gewinnpartie opfern würde, spielt dort bisweilen das traditionelle Open. Der Text der Karte bestand aus einer einzigen Zeile und war bestechend in seiner Schlichtheit. Da stand einfach:
WALLER
SPIELT ZU BLED. |
PS: Wer ein stabiles Gemüt hat, darf sich auf Wallers Homepage wagen: http://surf.to/waller
Sollte ich doch in Versuchung kommen, werde ich an Weltmeister Wladimir Kramnik denken. Der heute nachmittag, live vor Millionen Internet-Zusehern, vor der ganzen Weltpresse, im Ein-Million-Dollar-Match gegen Computer Deep Fritz, ohne in Zeitnot zu sein - tatsächlich 34...Da2-c4?? gezogen hat. (35.Se7+! 1-0.) - Danke! Wie tröstlich.
Das Schöne an Wien ist bekanntlich: Man braucht keinen Titel machen, man kriegt ihn einfach - nicht nur im Kaffeehaus! Ob Oberstudien-, Hof- oder Kommerzialrat, ob Doktor, Direktor, Dozent, ob Disponent, Ingenieur, Inspektor. Hat man gar keinen, ist man zumindest Herr Professor.
(Bei der Gelegenheit muss ich zugeben, dass es mich lange schon wurmt, nur "Obmann" - statt "Präsident" - meines Schachvereins genannt zu werden. Werde demnächst eine Statutenänderung beantragen.)
Ergo, wie erringt man am leichtesten den Titel "Schachweltmeister"? Richtig, man muss nach Wien kommen!
Eben verschlägt es mich nach www.wien.at und dort zufällig auf die Rathauskorrespondenz des Jahres 1951 (der Leser frage besser nicht, wieso), und ich entdecke diese Meldung:
5.11.1951:
Sowjetische Gäste im Rathaus.
Vbgm. Honay empfing heute ... sowjetische Schachspieler und
Stemmer, die auf Einladung der Österreichisch-sowjetischen Gesellschaft
nach Wien gekommen sind. Unter ihnen befand sich auch der berühmte Schachspieler,
Weltmeister Bronstein, der Vertreter der sowjetischen Sportbehörde
Galaktionow und ...
Siehe da. Was Großmeister Bronstein im Jahr 1951 zunächst mit dem knappen 12:12 beim WM-Kampf gegen Botwinnik versäumte, gelang ihm schließlich doch: ganz einfach durch die Reise nach Wien.
Keine Frage, Schach ist Sport! Zum Sport gehören Wettkämpfe, Leistungen und Titel. Zurecht bemüht sich der ÖSB (Österreichische Schachbund) seit Jahren, in die BSO (Bundessportorganisation) aufgenommen zu werden.
Und Sport soll unterhalten. Deswegen gefällt mir diese Geschichte ganz besonders.
Mit Verspätung wird langsam bekannt, dass bereits im Mai ein beachtlicher Wettkampf gespielt wurde. Der Vizepräsident des Österreichischen Schachbundes, zugleich Präsident des oberösterreichischen Schachverbandes, Heinz B., schritt mit Energie und Tatkraft voran und organisierte einen Zweikampf über 10 Partien. Gegner war sein Klubkollege Harald G., überwacht wurde das Ganze vom obersten Schiedsrichter-Referenten des oberösterreichischen Verbandes höchstpersönlich. Schade nur: Nirgendwo war eine Ankündigung darüber zu finden, auch das Ergebnis wurde nicht publiziert, und in keiner Schachzeitung, auf keiner Web-Seite war eine Zeile darüber zu lesen.
Das Resultat wurde lediglich beim Weltschachbund FIDE zur Elowertung eingereicht und auch bereits gewertet, wie die entsprechende Rubrik auf der FIDE-Homepage verrät. Aus dieser ist zu entnehmen: Der Präsident, immerhin fast 70, feierte einen grandiosen 10:0-Sieg. Das erinnert ja geradezu an Zeiten eines Bobby Fischer! Trotz des Spielstärke-Unterschiedes. Denn der Präsident ist FIDE-Meister mit 2390 Elopunkten, sein Gegner besitzt eine nationale Elozahl von 1799 sowie eine internationale Elozahl von 2010, also knapp über der Mindestgrenze von 2000.
Nun unken Pitzler tatsächlich ( z.B. im Forum des ÖSB), der Wettkampf wäre geschoben gewesen! Na ja, üblich ist es nicht gerade, dass ein Privatwettkampf zur FIDE-Eloberechnung eingereicht wird. Aber zahlt sich das überhaupt aus? Bei dem Spielstärke-Unterschied bringt das doch nur ein paar lächerliche Elo-Pünktchen?
Böse Zungen meinen sich allerdings zu erinnern, dass der Präsident bereits die eine oder andere Norm zum Titel eines "Internationalen Meisters" erfüllt hat - nur benötigt man zum IM-Titel eben eine Elozahl von mindestens 2400 - und da fehlen ihm (2390) die paar Pünktchen.
Unsinn, meine ich, und hier ist der Beweis: Die FIDE-Elo-Liste Juli weist den Präsidenten mit exakt 2398 Elopunkten aus. Also was soll das Gerede?
Außer natürlich - aber das gibt's doch nur in zweitklassigen Lustspielen! - ja außer, die Beteiligten haben sich schlicht verrechnet!
PS 24.9.:
Im ÖSB-Forum lese ich dazu folgenden erhaltenswürdigen Satz,
der Hugo Wiener alle Ehre gemacht hätte:
"Ob man sich über einen IM-Titel, der sich offensichtlich nur
durch mangelhafte Rechenleistung nicht ausgegangen ist, freuen kann
- bleibt dahingestellt." (Herbert G.)
Wenn sich ein Prominenter am Schachbrett ablichten lässt, darf sich der Schachkenner getrost auf einen Leckerbissen freuen. Denn sowohl dem Prominenten als auch dem Fotografen sind Lächeln und Pose zumeist wichtiger als das Schachbrett.
Wie ein Foto in NEWS vom Trainingslager in Chile zeigt, wurde Hermann Maier während seiner Rekonvaleszenz erfreulicherweise zum begeisterten Schachspieler.
(Foto: News, Zach-Kiesling)
Anerkennend bemerken wir, dass das Brett richtig aufgestellt
ist und sich rechts oben ein schwarzes Feld befindet. Maier führt
offensichtlich die weißen Steine und macht einen Zug mit
dem weißen König. Die hohe Denkerstirn ist werbewirksam verdeckt.
Original-Bildtext: "So schnell ist ein Herminator nicht Schachmatt!"
Aber täuscht das Bild, oder wirkt sein Lächeln säuerlich?
Nein, schachmatt ist er nicht (schon gar nicht mit großen Anfangsbuchstaben),
der König zieht ja noch. Doch ein näherer Blick auf die Felder
d4 und e3 lässt uns das Blut stocken: Ist die weiße Dame
etwa von einem schwarzen Bauern bedroht? Hier die Stellung, von Maier
aus gesehen:
Obwohl die 8. Reihe im Dunkeln liegt (da könnte noch was stehen), eine völlig legale Stellung. Kraftvoll natürlich, wie's beim Herminator üblich ist. Der schwarze König ist bis nach a3 gewandert, beide (!) Damen sind bedroht, und zwei Bauern stehen unmittelbar vor der Umwandlung.
Hochachtung vor Maier: Computer Fritz schätzt die Stellung ziemlich ausgeglichen (!) ein. Weiß hat die Qual der Wahl: Dame d6 schlagen, eigene Dame retten, Bc7 umwandeln oder gar ein Mattnetz gegen den Ka3 basteln. Lange muss sogar Fritz überlegen, ehe er als beste Züge Tf6xd6 oder Tb4xd4 ermittelt.
"Um Himmels Willen, Armin", würde Robert Seeger gewohnt unseeglich (ich beantrage hiermit diese Rechtschreibreform) kreischen, "was macht er da nur, der Herminator?"
Unglaublich: Bei dieser riesigen Auswahl zieht Maier mit dem König, der Handbewegung nach zu schließen, Kf2-f1??. (Allenfalls zog er auch soeben Kg3-f2??.)
Warum nur? "Ganz klar", werden viele sagen, "beim Trainingslager deckt der Schlaumaier seine Karten nicht auf!" Nein, ich bin mir ganz sicher. Dies ist eine typische Hermann Maier-Subtilität! Mit seinem bauernschlauen, trockenen, unschuldigen Humor will er der ganzen Welt zeigen: "Seht, ich kann mir hier einen Königszug leisten und gewinne trotzdem!"
PS: Das beste aller Schach-Promi-Fotos zeigt den Kärntner Landeshauptmann. Ich bin am Ausgraben. Demnächst in diesem Theater.
Österreichs Schach-Legende Dr. Andreas Dückstein feierte im August seinen 75. Geburtstag. Gegen alle Größen der 50er, 60er und 70er-Jahre hat er gespielt, Fischer, Spasski, Tal, Botwinnik, Euwe, Petrosjan, Smyslow, etc. Hunderte Anekdoten aus dieser Goldenen Ära des Schachs weiß er zu erzählen. Hier meine beiden Lieblingsgeschichten:
1) Understatet: Wie man es schafft, selbst einen Sieg gegen
den regierenden Weltmeister mit einem geradezu britischen Understatement
zu kommentieren.
Dückstein: "Meinen Sieg bei der Olympiade 1958 gegen den
regierenden Weltmeister Botwinnik verdanke ich nur der Sprachbarriere!
Ich stand nicht schlecht, wusste aber nicht, wie man einem Russen Remis
bietet. Ich versuchte, dies von meinem Kapitän zu erfahren. Als
ich es endlich wusste, stand Botwinnik aber schon so schlecht, dass
ich es nicht mehr anbot. Die Partie war gar nicht gut."
2) Unterschätzt: Ausgerechnet den Falschen!
"Wie haben Sie gegen Bobby Fischer gespielt?"
Dückstein: "Schlecht!
Ich hab mich selbst umgebracht. Der damals 16-jährige Fischer hat
zuvor gegen den nicht zur Weltspitze gehörenden Schweizer Walther
mit Mühe remisiert. Da hab ich mir gedacht, der ist ja schwach.
Das war natürlich Blödsinn!"
Happy Birthday!
Hier gibt's die Dückstein-Partien gegen Botwinnik, Fischer, Pachman (nach eigener Aussage die beste), Spasski (Sieg!) und Tal (wilde Schlacht) im pgn-Format zum Downloaden: Dückstein.pgn
Gerade ist Staatsmeisterschafts-Woche, und angesichts der Bilder im Fernsehen fällt mir plötzlich ein, an der Lektüre welches Buches ich genau während der Staatsmeisterschaft 1998 gescheitert bin: "Im Himmel wie auf Erden" meines Lieblingsautors Werner Bergengruen. Nach einem Drittel legte ich das dicke Buch entnervt aus der Hand; in der strahlenden Sommerwoche, mitten in der herrlichen Bergwelt von Werfenweng erschien mir das Szenario völlig unrealistisch. Pure Übertreibung, das gibt's doch gar nicht, dachte ich erbost.
Ich werd' den Roman nun lesen. Er handelt von einer gigantischen Flutkatastrophe im Binnenland.
Über 600 Kurier-Kolumnen und jahrelange Suche nach "Quiz
für Querdenker"-Beispielen hinterlassen Spuren im Hirn. (Das
merkt man, sagen manche mir nicht allzu gut Gesonnene.) Dass dieses
Hirn jüngst eine Kuriosität parat hatte, die selbst dem grandiosen
Tim Krabbé, Großmeister aller Großmeister
der Schachkuriositäten, unbekannt war, ist - für alle jene,
die viel Muße haben - in dessen Tagebuchgeschichte Nr. 184
zu nachlesen.
www.xs4all.nl/~timkr/chess2/diary.htm
Meister Norbert Sommerbauer, den ich ja im Verdacht habe, weit weniger humorlos zu sein, als er vorgibt, schickt mir folgende Anekdote:
In Werfen (1985 oder 86) war dichtes Gedränge im Spielsaal, obwohl die Partien schon im Gange waren. Ein sichtlich nervöser Spieler, der gerade vom WC zur Partie zurückkehren wollte, ohne allzuviel Zeit zu verlieren, rempelte mich versehentlich an. Er entschuldigte sich pflichtgemäß, aber mit den Worten: "J'adoube!" (!)
* * *
Diese Geschichte drängt mein eigenes Gewissen stark, etwas "zurechtzurücken", ein längst fälliges J'adoube zu sagen. Endlich ist die Zeit gekommen.
Es war an einem lauen Maiabend des Jahres 1981 bei einem ebensolchen Turnier, als mein Gegner einen Lg7 von mir abtauschte, aufstand und aus dem Saal ging. Ohne viel nachzudenken schlug ich mit Kg8xg7 den Läufer mit dem König zurück, drückte die Uhr, studierte die Stellung (Diagramm) - und kam drauf, dass ich soeben die Dame eingestellt hatte! Die Wendung 1.Th7+! Kxh7 2.Sg5+ war offensichtlich. Richtig wäre natürlich Dxg7 gewesen! Der König gehört nach g8, die Dame nach g7! Was tun?
Die Versuchung war zu groß: Mein Gegner nicht da, die Spieler neben mir tief in ihre eigenen Partien versunken, die linke untere Bretthälfte mühelos erreichbar - und noch dazu war ich damals passionierter Hobbymagier! Ich beugte mich also leicht übers Brett, schob die linke Hand langsam Richtung König, die rechte Richtung Dame, und mit einer gleichmäßigen, synchronen, leisen Bewegung, nahezu schneller als das menschliche Auge, verschob ich die Figuren, von beiden Handrücken palmiert (Magier-Fachausdruck!): den König nach g8, die Dame nach g7.
Und alles war im Lot. Niemand bemerkte etwas, der Gegner kam irgendwann zum Brett zurück, und ich gewann letztlich die Partie. Später bereute ich diese Jugendsünde, und in meinem weiteren Schachleben ließ ich oft der Sportlichkeit den Vortritt, durchaus zu meinen Ungunsten. Jedoch dieses eine Unrecht wiedergutzumachen, dazu ergab sich keine Gelegenheit, denn mein damaliger Gegner ist längst gestorben.
Darum:
Verehrter Schachfreund Friedrich Macho, wenn Sie diese Zeilen aus dem Schachhimmel lesen, unterbrechen Sie Ihre Blitzpartie mit Capablanca und nehmen Sie, bitte, meine Entschuldigung in aller (mehr oder minder) Öffentlichkeit an. Ein grundehrliches:
"J'ADOUBE!"
Von Dr. Chrilly Donninger, Österreichs Programmier-Genie, "Vater" des renommierten Programms Nimzo, wird soeben ein neuer großer Erfolg gemeldet: Dritter bei der Computer-WM mit seinem neuen Programm Brutus. Ich erinnere mich mit Vergnügen, unter welchen prekären Umständen Chrilly Donninger und ich Bekanntschaft schlossen.
Es war im Dezember 1993, als im Kurier ein Artikel über die Computer-WM erschien. Neben allerlei Firlefanz über Sieger Hiarcs sowie die Nächstplazierten The King und Mephisto Genius war zu lesen: "Auf den Plätzen landeten Programme aus Australien, Ungarn, den USA und Deutschland."
Mich traf fast der Schlag, als ich das las. Zwar war ich damals schon gute vier Jahre lang Schachkolumnist des Kurier, doch mit diesem Artikel hatte ich absolut nichts zu tun. (Zeitungs-Insider kennen ohnehin die fatalistische Weisheit, dass sogar in Artikeln, unter denen der eigene Name steht, bisweilen wie durch Zauberhand Dinge drinnen stehen, die man nie zuvor so geschrieben hat.) Tja, und mir war natürlich nicht entgangen, dass an Vierter Stelle kein Australier, sondern eben unser Chrilly Donninger mit Nimzo gelandet war. Dass ein Österreicher mitten in die Schachprogrammierer-Elite vorstieß, war damals eine Riesensensation. Chrilly hatte erst wenige Monate lang an Nimzo gearbeitet.
Ich versuchte zu retten, was zu retten war, doch ein Artikel von mir, der alles richtigstellte, wurde nicht abgedruckt. Dafür ein Leserbrief von Chrilly, der unter dem Titel "Ein typisch österreichisches Schicksal" in bester Egon-Friedell- und Karl-Kraus-Manier mit sarkastischer Zunge u.a. schrieb: "Man ist es ja gewohnt, dass der Prophet im eigenen Lande nichts gilt. Dennoch ist es eine neue, amüsante Facette, dass der Erfolg in der Heimat nicht nur nicht beachtet wird, sondern dass man auch noch für einen Australier gehalten wird!"
Nun, wenige Wochen später trafen wir einander erstmals zu einem Interview, und - mir fiel ein Stein vom Herzen! - wir verstanden uns ausgezeichnet. Denn zum Glück billigte er mir elementare Geographie-Kenntnisse zu, und wir amüsierten uns beide königlich über die Geschichte.
Ich durfte später, im Rahmen eines Großmeisterturniers im Jüdischen Museum in Wien, seinen Nimzo präsentieren (Foto: links Nimzo, Mitte Chrilly, rechts ich) und der überaus "sophisticated" Chrilly erzählte mir so manche Schnurre über seine Erlebnisse beim Programmieren. Doch darüber ein andermal...
Wo
bewahrt man seine zahlreichen oder weniger zahlreichen Schach-Urkunden
auf?
a) Eingerahmt am Nachtkastl;
b) Fein säuberlich in einer Urkundenmappe;
c) Mit Reißnagel am Häusl.
Das hängt vielleicht vom Wert ab: Je offizieller das Turnier, je besser die Platzierung, je eleganter die Urkunde, desto feierlicher der Urkundenaufbewahrungsort.
Eben fällt mir wieder einmal nebenstehendes Foto von der Offenen Österreichischen Herren-Staatsmeisterschaft 1998 (nicht unoffiziell) in die Hände. IM Harald Casagrande präsentiert seinen 8. Platz unter über 50 Teilnehmern - punktegleich mit den IMs Danner, Weiss und Hölzl - womit er sich für die geschlossene Staatsmeisterschaft qualifiziert hat (nicht übel).
Wo mag sich diese Urkunde heute befinden?
Ein genauerer Blick auf dieses historische Dokument lässt es uns ahnen:
Es wird Zeit, ein eigenes Hoppala zu veröffentlichen. Der Leser, der es bis hierher geschafft hat, wird mit einem bisher streng gehüteten Geheimnis belohnt.
Im Leben passiert es bisweilen, dass man für eine große Leistung keine Anerkennung erhält. Als Ausgleich dafür wird man manchmal gefeiert für etwas, das man eben nicht geleistet hat.
Vorletzte Runde beim gutbesetzten Mödlinger Stadtturnier 1996. Eine denkbar schwierige Aufgabe erwartete mich: Mit Schwarz gegen FM (heute IM) Ernst Weinzettl, einen der solidesten Meister Österreichs, Elo-Differenz weit über 200 Punkte.
Die
Vorgeschichte: Durch ungewöhnlichen Partieverlauf waren wir beide
nicht nur in eine völlig unübersichtliche Stellung, sondern
auch in schreckliche Zeitnot geraten.
Diagramm links.
Noch lange 8 Züge bis zur Zeitkontrolle. Weinzettl (Weiß)
hat noch ca. 4 Minuten übrig, Stichlberger (Schwarz) noch
ca. 2 Minuten. Es ging im Blitztempo weiter mit:
1.Sf3! Weiß gibt die Belagerung von e6 auf und geht nicht nur vordergründig auf h4 los, sondern weit unangenehmer auf e5. 1...b5! 2.Da6 h3 Reflexartiges Umherschlagen. 3.f5! Probiert jeden Trick (nicht Se5? Dd5!). 3...hxg2+ 4.Kg1 Sxf5! 5.Se5
Womit wir beim Diagramm unten angekommen sind. Eine in diversen Schachzeitungen und Bulletins viel abgedruckte Stellung. Viele gratulierten mir zum folgenden Wunder.
"Los, los, Gegenangriff, irgendwas, wenigstens hängt kein Turm mit Schach, und er kann eh nur einen nehmen." An diesen Gedankenfetzen erinnere ich mich noch. Also spielte ich in rasendem Tempo aus dem Handgelenk:
5...Sd4!!
Elos, Titel, Turniersiege verwehen, so ein Zug bleibt! Alle schwarzen Schwerfiguren stehen in der Gabel des Springers e5, dennoch gewinnt Schwarz! Es droht Df1+ Txf1 Se2#.
6.Sxg6 Noch das Beste. (6.Sxc4?? Sf3 matt oder 6.Lxd4?? Dxd4+ 7.Te3 Dxe3 matt!) 6...Sf3+ 7.Kxg2 Sxe1+ 8.Lxe1 Dg4+ 9.Lg3 Ja, Klappe noch oben!! Die Nerven allerdings so herunten, daß es zu einem solchen Grad der Beruhigung, die ein Matt in 3 Zügen erkennen lassen hätte, nicht gereicht hat. 9...Dxg6? (Td2+! nebst Matt) 10.Dc8+ Ke7 und Weiß gab auf.
Und wo ist das versprochene Geheimnis?
Ja, jetzt - jetzt folgt die ganze Wahrheit:
Als ich in der Nacht die Partie bei einer Flasche Sekt nachspielte und bei der spektakulären Diagrammstellung anlangte, war ich einen Moment lang starr vor Schreck: Fassungslos begriff ich, daß nicht nur beide Türme, sondern auch die Dame hängt! Hätte ich das in der Partie gemerkt, hätte ich reflexartig nach einem Damenzug (und sicher nichts anderem!) gesucht, um die Dame wegzuziehen - und die Partie verloren, da jeder Damenzug hochkant verliert!
Ja, so geht's. Manchmal erntet man den ganzen Ruhm nur deshalb, weil
man zum richtigen Zeitpunkt das Richtige eben nicht sieht.
(Erzählen Sie's nicht allzu exzessiv weiter.)
Hier gibt's die gesamte Partie kommentiert im PGN-Format zum Herunterladen: Weinzettl -Stichl.pgn
PS: Dass der Zug Sd4 zweizügiges Matt droht, ist mir auch erst heute aufgefallen.
Woran denkt ein Normalbürger - ganz im Gegensatz zum Schachspieler! - bei "0-0"? Richtig: an das, was der Wiener "Häusl" nennt. Damit erlaube ich mir, den Ausdruck "Häusl-Schmäh" in die Schach-Praxis einzuführen. Zwar konnte ich den geläufigen Ausdruck in keinem Wiener-Dialekt-Lexikon verifizieren, jedoch wäre er wohl ungefähr so zu definieren: "Scherz, der aufgrund seiner Halblustigkeit, Primitivität und Betagtheit an den nicht gerade frisch gereinigten Sanitärbereich erinnert".
Ideal für jenen fiesen, alten, billigen Trick, dessen Pointe "0-0" (genauer gesagt "0-0-0") ist! (Wobei ich weiterführende deplorable Witze über große und kleine Seite unterlasse.)
Österreichische
Staatsmeisterschaft 1995.
Am Werk sind die von mir sehr geschätzten Internationalen Meister
Lendwai und Sommerbauer. Nach Damentausch auf e4 hat Norbert Sommerbauer
(Schwarz) soeben mit Sd7-f6 den weißen Turm angegriffen. (Diese
Vorgeschichte erschwert es, den Trick zu wittern!)
Reinhard Lendwai (Weiß) will Druck machen und setzt sich
mit 1.Te4-a4?? (statt Te1!) auf den Ba6 drauf.
Und schon geht der typische Häusl-Schmäh: 1...0-0-0!! mit der Doppeldrohung Td1+ und Kxb7. Weiß gibt auf!
Ein exquisiter Fall, denn in fast allen ähnlichen Fällen erfolgt die Rochade (viel plumper) mit Schach. Am bekanntesten und in fast allen Lehrbücher enthalten ist die Partie Feuer - O'Kelly, Lüttich 1934.
Auch viele Studien haben dieses Thema zum Inhalt. Die eleganteste
Studie dazu, mit minimalem Material
(Selesniev, 1921):
1.d7! (Nach 1.0-0-0? Ta2! wäre Remis unvermeidlich.) 1...Kc7
2.d8D!! Kxd8
3.0-0-0+! und gewinnt.
Ich habe insgesamt 23 Fälle gesammelt. Hier im pgn-Format zum
Downloaden:
Stichls
Häusl-Schmäh-Sammlung.
Da gibt es eine Dame, die spielt nur im Nerz Schach. Nämlich mit dem Musikbanausen, der Schartner trinkt, während er Bach hört. Und warum begeht ein Friese lieber Selbstmord, als sich mattsetzen zu lassen? Darüber, und warum ein Steckschach einen Mord verhindert hat, lesen Sie auf meiner neuen Seite: Schach-Schüttelreime (Button: Allerlei). Viel Vergnügen!
"Der vorletzte Fehler gewinnt!" lautet ein altes Bonmot. Klar, weil der letzte verliert. Aber was ist der allerschrecklichste? Dieser: In Gewinnstellung aufgeben! Entsetzlich! Allein der Gedanke, dass einem das selbst einmal passieren könnte, jagt einem kalte Schauer über den Rücken.
Tim Krabbé hat unter dem Titel the ultimate blunder dutzende solcher tragikomischen Beispiele gesammelt; es macht großen Spaß, sie durchzuspielen: www.xs4all.nl/~timkr/chess2/resigntxt.htm
Mit großer Freude präsentiere ich nun eine neue dieser Raritäten. Ein druckfrisches österreichisches Exemplar:
Szene
aus der Wiener A-Liga 2001/02, ein Duell zweier solider 2000-er, Weinrichter
gegen Kostka (Diagramm links).
Norbert Weinrichter (Weiß) verfiel in dieser scharfen Stellung
auf 1.Txb7?!. Es folgte Dxb7 2.Dh6, und Alexander Kostka
(Schwarz) gab auf.
Diagramm rechts. Schwarz gibt auf! Hätten Sie auch aufgegeben?
"Gegen f5-f6 samt Dg7 matt ist nichts zu machen", mag Schwarz gedacht haben. "Ziehe ich nun selbst 2...f7-f6, folgt vernichtend 3.Lxc4+. Der Zwischentausch gxf5 exf5 ändert nichts. Und das Racheschach 2...Db2+ ist wegen 3.Kh3 zwecklos."
Sieg für Weiß, dabei ist die Stellung für Schwarz glatt gewonnen, wie beide gleich nach der Partie herausfanden: 2...Db2+! Also doch! 3.Kh3 und nun 3...Da1!! (droht Dh1#) 4.Kg2 Tb8! und Schwarz ist um ein Tempo schneller.
Vom Standpunkt der höheren Gerechtigkeit möge jeder für sich entscheiden, wer den Sieg verdient hätte: In der Ausgangstellung (links) hätte Weiß mit gleich 1.Dh6!! (statt Txb7) gewonnen. Weiß fürchtete den Trick 1...Lc8! (verhindert f5-f6), darauf gewinnt aber 2.Lxc4 (droht Dxg6) oder sogar 2.Tb7! recht kommod.
"Dieses Tagebuch der Kuriositäten erinnert mich frappant an das Open Chess Diary auf Tim Krabbés Homepage", sagte mir unlängst ein Kenner. Keine Frage, das ist ja auch das große Vorbild! Unterhaltsamer, subtiler und liebevoller als der holländische Schriftsteller kann man über Schach nicht schreiben. Jeder Schachliebhaber sollte unbedingt die Homepage besuchen (www.xs4all.nl/~timkr/chess/chess.html). Wenn mein Tagebuch mit österreichischen Geschichten ebenso kurzweilig wird, würde mich dies freuen. Bisweilen werde ich auf Tim Krabbé verweisen und die eine oder andere seiner Geschichten mit einer passenden österreichischen Episode ergänzen. So wie heute (Nr. 3).
Das, was den Schach-Anfänger am meisten verwirrt, ist das En-passant-Schlagen. Darum (und aus einem zweiten Grund, siehe PS) soll das Tagebuch auch mit einer solchen Geschichte beginnen. Im Zweifel gilt: Nehmen Sie dem Gegner einen beliebigen Bauern weg und wischen Sie seine Proteste mit der entrüsteten Frage vom Tisch, ob er wohl die En-Passant-Regel nicht kenne! Denn: Auch Meisterspieler können mit dem En-passant-Schlagen ihre liebe Not haben!
Diagramm
links. Wiener Vereinsmeisterschaft, C-Liga, 1991/92. Mit Weiß
spielt Ursula Fraunschiel, damals Meisterkandidatin und Wiener
Damenstadtmeisterin. (Mittlerweile eroberte sie einmal den Staatsmeistertitel.)
Mit Schwarz spielt ein langjähriger, in tausend Schlachten
erprobter Ligaspieler, der ungenannt bleiben wollte. Üblicherweise
wird so jemand deshalb mit N.N. bezeichnet, wir wollen ihn, passenderweise
leicht modifiziert, H.N. nennen. Der Schwarze nützt die
Gelegenheit zum Blockadezug 1...f7-f5!, da Weiß aufgrund
der ungedeckten Df4 nun offensichtlich nicht en passant nehmen darf.
Während
H.N. frohgemut durchs Lokal schlendert, findet unsere Meisterin durch
langes Nachdenken heraus, dass doch ein En-passant-Schlagen möglich
ist, und schlägt tatsächlich en passant: 2.exf6 e.p.!
Der Schwarzspieler kehrt nach seinem Spaziergang zum Brett zurück
und findet zu seinem Entsetzen folgende Stellung vor (Diagramm rechts).
Wieso steht er plötzlich im Schach??? Maßlos verärgert,
so trivial einen Bauern eingestellt zu haben, verliert er die Lust am
Weiterspielen und gibt grantig auf.
Den Mannschaftskollegen beider Spieler wird nach dem Wettkampf vorgeführt,
auf welch kuriose Weise eine Partie enden kann. Alle lachen herzlich,
jedoch: Keinem einzigen (!) fällt auf, dass Weiß statt des
Bauern f5 den Bauern e6 entfernt hat. (Aufgrund der Berührt-geführt-Regel
hätte Weiß den Zug korrekt ausführen müssen, Schwarz
hätte dann simpel mit Dc7xf4 gewonnen.)
Ursi selbst bemerkt erst zu Hause beim Nachspielen ihren Irrtum und
zweifelt stundenlang an der Richtigkeit der Mitschrift. ("Nicht
sein kann, was nicht sein darf...")
Der einzige Sieg für den betrogenen H.N.: Ihm kam am schnellsten
die Erleuchtung, nämlich beim Nachhausefahren im Taxi. Ein paar
Minuten zu spät...!
PS:
Dass Ursula Fraunschiel sich bis heute in keiner ihrer Partien mehr
getraut hat, en passant zu schlagen, weiß ich aus sicherer Quelle.
Und was Ursi, schon damals meine Freundin, unserer Tochter Sophie Caissa
so bald wie möglich beibringen muss, ist das "hinterlistige"
En-passant-Schlagen.
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