TAGEBUCH DER KURIOSITÄTEN

Kurioses & Amüsantes, Partiestellungen und Kombinationen, Anekdoten & Hoppalas
- überwiegend aus der gegenwärtigen österreichischen Schachszene.
Schauen Sie ab und zu vorbei!

Vorherige Ausgaben:
Nr. 21-30: Hier klicken!
Nr. 11-20: Hier klicken!
Nr. 1-10: Hier klicken!


Nr. 40: Spür nix, hör nix und i riach nix... (16.7.04)

Geahnt habe ich es schon, doch jetzt weiß ich, dass ich ein miserabler Schachjournalist bin. Oder wie würden Sie einen Schachjournalisten nennen, der nicht weiß, dass in seinem Wohnbezirk ein IM-Turnier stattfindet.

Dem neuen Schach-Aktiv-Heft entnehme ich, dass in Ottakring ein IM-Turnier stattgefunden hat. Wahrscheinlich spielten die Internationalen Meister nur wenige Meter von meiner Haustür entfernt. Dabei hätt ich alles so gern gesehen. Wie man hört: Ein Wirtshauskeller als Spielsaal, ein Wuzler samt lautstarken Fans in der Mitte, keine Partieformulare in der ersten Runde, Abreise des Schiedsrichters.

Köpferl in Sand - Wien bleibt Wien!


Nr. 39: Wiener Partie (31.5.04)

Zu meiner Kinderzeit, als man ihn noch mit scharfem ß schrieb, stand im Wiener Kongresspark ein Riesenschach mit großen Figuren, das mich aber nicht annähernd so beeindruckte wie das rote Feuerwehrauto. Beides gibt es längst nicht mehr, und gar manches ist dort auch nicht mehr so, wie es mal war.

Kürzlich vergnügen sich meine Kinder (mangels Riesenschach) am gut besuchten Spielplatz, und ich beobachte (mangels Riesenschach) eine klassische Wiener Großmutter, resolut, energisch, mit männlicher Stimme und ebensolchem Körperbau. Sie hat alle Hände voll zu tun, um ihre beiden äußerst lebhaften Enkel halbwegs zu bändigen.

Plötzlich läutet das Handy der echauffierten Dame. Ich lausche:

"Hallo? Mir san jetzt im Kongresspark."
(Lauscht einer Frage und antwortet:)
"Na, is gar net so schlimm." (Kleine Pause.) "UNSERE san die Tschuschen!"

Mit vier Worten findet die Dame nicht nur die kürzeste Version einer ganzen (Zeit-) Geschichte, sondern erklimmt dieselbe Stufe wie Torberg, Altenberg, Friedell, Kuh, Polgar, Farkas, Wiener ...


Nr. 38: Außer Takt (12.5.04)

Im Wiener Arnold-Schönberg-Center wurde kürzlich die Ausstellung "Schönbergs Schachzüge" eröffnet. Der berühmte Komponist (1874-1951), Erfinder der Zwölf-Ton-Musik, entwickelte nebstbei auch ein Vier-Personen-Schach mit eigenen Figuren wie U-Boot oder Flieger.

Ich hatte von Anfang an den leisen Verdacht, dass dies eher als kulturelles Ereignis zu sehen wäre und sich die Schachszene nicht sonderlich dafür interessieren würde. Gänzlich sicher war ich mir dann nach dem folgenden Dialog in Schachkreisen:

Mag. Ehn: "Wer kommt morgen zur Eröffnung der Arnold-Schönberg-Ausstellung? Ist hochinteressant, der Schönberg hat nämlich ein Schach für vier Personen erfunden."
Schachfunktionärin: "Ah so, der hat des erfunden? Kummt der a hin?"


Nr. 37: Beinahe berühmt (8.4.04)

Sie lauert überall am Schachbrett, zu jeder Zeit, in jeder Partie, an jedem Ort: die große Berühmtheit. Die schachliche Unsterblichkeit. Die EINE Traumkombination, mit der man in alle Bücher eingeht. Von der noch die eigenen Urenkel schwärmen werden.

Engel -Tarko, Wien 2004
Da schlendere ich unlängst durch die Reihen der Wiener Jugendlandesmeisterschaft. Mein Blick bleibt bei einem Brett (links) hängen. Der Weiße zieht soeben 1.Dxh7+!!, steht auf und spaziert mit breitem Grinsen im Turniersaal herum. "Ich weiß gar nicht, ob ich diesen Zug gesehen hätte", denke ich. Während Schwarz überlegt, scharren sich die Zuseher ums Brett. Jugendreferent Kuthan und ich wechseln einen amüsierten Blick. Ich bin sicher, genau wie ich sucht er bereits fieberhaft nach einem Versteck für die schwarze Dame...
Es folgen die Züge 1...Kxh7 2.exd5+. Weiß gedenkt, mit diesem Abzugsschach die De7 zu gewinnen und eine ganze Figur erobert zu haben.
Sein fröhliches Lächeln erstarrt, als Schwarz 2...Te4!! findet (Diagramm links). Der Weiße schüttelt den Kopf, das hat er übersehen - offenbar verhaut, die Kombination?! Mit eingefrorenem Lächeln zieht er rasch 3.Lxe4+??, vielleicht noch hoffend auf 3...g6?? 4.Lxg6+, doch Schwarz zieht natürlich 3...Kh8 und spielt die Partie trocken heim.

Nachher erzählten wir dem Weißen, wie knapp er an der schachlichen Unsterblichkeit vorbeigeschrammt ist! 3. Txe4!! hätte eine einmalige Situation ergeben und für Weiß gewonnen: Die schwarze Dame findet nirgends ein Versteck vor dem drohenden Abzugsschach. Weiß behält jedenfalls eine Figur mehr.

Das wär's gewesen, eine Kombi, die jedem Großmeister Ehre gemacht hätte: Damenopfer, Abzugsschach, Parade durch Zwischenzug, tödliche zweite Abzugsdrohung!

* * * * * * * * *

Das erinnerte mich sofort an eine wunderbare Studie, die dieses Abzugs-Motiv auf unglaubliche Art zeigt:

Weiß soll gewinnen? Unmöglich, denkt man, Weiß sollte lieber schleunigst die Dame schlagen und Remis sichern!
Nein, der grandiose Zug 1.Ld7!! hält die Abzugsdrohung aufrecht. Die schwarze Dame hat das ganze Brett frei, kann sich aber nirgendwo vor dem Abzug verstecken. - Außer paradoxerweise hier: 1...Dh3!!.
Nun aber führt das Abzugsmanöver 2.Tf5+! Kb4 3.Tf4+ zum Gewinn.

J. Hoch, Schluss einer Studie 1973,
Weiß am Zug gewinnt

Nr. 36: Unseegliche Vorstellung (1.2.04)

Während eines Schirennens dieses Fernseh-Wochenendes sagte plötzlich die beste Ehefrau von allen (weil sie's ja gar nicht ist) zu mir: "Stell Dir vor, Schach wird Sport und ...!"

Entsetztes Schweigen trat ein. Welche Vision! Schach würde endlich als Sport anerkannt. Und würde live stundenlang im TV-Sport-Nachmittag übertragen werden. Und dann? Dann? Ja dann, dann würde Robert...

Schach als Sport? Bitte alle diesbezüglichen Bemühungen sofort einstellen! Noch ein Glück, dass Robert Seeger nur Schirennen und noch keine Schachpartien kommentiert.

Und inbrünstig Recht geben wir Frau Pollak aus Torbergs Tante Jolesch, dass Gott einen behüten soll vor allem, was noch ein Glück ist.


Nr. 35: Hamarats Rezept (20.1.04)

Wollen Sie neben Rauchen und Trinken allenfalls auch Schach aufgeben? Nun weiß ich endlich, wie's geht.

Gestern machte ich ein Interview mit dem erstaunlichen Tunc Hamarat, der soeben das Kunststück zuwege brachte, Fernschachweltmeister zu werden (hier mein Manuskript, falls es interessiert). "Ich habe Schach satt!", verblüfft der Weltmeister. "Das ist so wie ein All-Inclusive-Buffet. Wenn Sie einige Tage gevöllert haben, können Sie das Essen nicht mehr sehen."

Nach dem Verabschieden, als leisen Nachsatz, schenkte mir der Philosoph ein Zaubermittel:

"Und wenn Sie einmal Schach aufgeben wollen, dann treffen Sie sich 10 Minuten mit mir, dann geht die Lust weg!"


Nr. 34: Bluff (5.1.04)

Warum lacht der Spieler rechts so? Ist dieses Lachen
a) fröhlich
b) freundlich
c)fies?

Fotos können Geschichten erzählen. Schnappschüsse von Schachpartien können ganze Tragödien offenbaren.

Ein Foto von meinen Ferien-Schachcamps. Die Miene des Weiß-Spielers (links) lässt erkennen: Er hat verloren. Ja, der Arme ist in ein Grundlinienmatt gelaufen. Schon hat er begonnen, die Figuren zusammenzuschieben (wie man an den Bauern merkt, die ursprünglich auf der 2. Reihe standen). Also: Wie ist das Lachen des Schwarz-Spielers (rechts) zu deuten?


Fotos: Kova

Das nächste Foto zeigt, wie.

Denn die Schlussposition lässt die Tragödie vor unseren Augen auferstehen. Weiß hatte zuletzt mit Te1xe6 Material gewonnen, dabei aber das Matt durch Dc3-a1 übersehen.

Deshalb lacht der Schwarze. Aber nicht nur. Das Lachen ist weit fieser: Er freut sich gerade diebisch darauf, dem Weißen den Zug Te6-e1+ (Schach!) zu zeigen, womit dieser verdient gewonnen hätte: Nicht nur ist das vermeintliche Matt abgewehrt, sondern auch die Dame a1 erobert.

 

Alles ein Bluff. Schach - ein Glücksspiel! Aber das wissen wir ja zur Genüge. Viel "Glück" 2004!


Nr. 33: Brutus - blöder wie mei Hund (24.11.03)

19.51 Uhr MEZ. Soeben schlägt Computer Brutus seinen Kollegen Fritz, der immerhin vorige Woche das Duell gegen Kasparow unentschieden gehalten hat. Jetzt liegt Brutus bei der Computer-WM in Graz alleine in Führung.

Das wär' was, Österreichs Brutus Weltmeister! Und der Vöcklabrucker Meisterprogrammierer Dr. Christian Donninger, auch Schi-Langlaufwart im Waldviertel, als Weltmeistermacher!

In Tagebuch-Geschichte Nr. 8 habe ich seinerzeit weitere Donninger-Schnurren versprochen. Brauch ich ja nur abschreiben, was Chrilly heute im Radio- Ö1-Feature "Leporello" von sich gab. Eine Düse!

 

Foto: Chess 03

"I zum Beispiel spiel nimmer gegen a Programm, bin ja net wahnsinnig."

Sicher spielt Donninger gerne Schach?
"Na. Überhaupt net."

Ob ein Match gegen Kasparow zustande kommt?
"Ja, wenn er si traut!"
Und weiter:
"Der Kasparow is net sehr guat!"
Ah so ?!?!
"Also is a guater Schachspieler, aber spielt gegen Programme schlecht."

Donninger schimpft auch mit Brutus. Wie?
"Na ja, Trottel du, oder so. Blöder wie mei Hund!"

Die Begründung: Wenn im Raum, wo Brutus spielt, ein Feuer ausbricht, würde Brutus munter weiterrechnen, während der Hund wenigstens so g'scheit wäre, hinauszurennen! - Bestechend!


Nr. 32: Kronische Schach-Abstinenz (21.11.03)

In der Kronen-Zeitung entdecke ich ein Foto, mit dem für das Wiener Spiele-Fest geworben wird. Nicht mit einem der unzähligen neuen Spiele, sondern mit dem ewigen Dauerbrenner "Schach" - wie erfreulich!

Nach den Zügen

1.e2-e4 e7-e5
2.Lf1-c4 Sb8-c6

will Weiß gerade mit 3.Dd1-f3 Schustermatt drohen. Der Blick des Schwarzen lässt ahnen, dass er nicht drauf reinfallen wird.

Alles ok am Brett, oder?

 

 


Foto: Krone

Apropos Schach und Kronenzeitung. Warum gibt's in der Krone seit Jahrzehnten hartnäckig keine Schachkolumne? Das geht der Fama nach auf einen alten Streit aus den 70-er Jahren zwischen ÖM Ing. Gerhard Bruckner, inzwischen verstorbenem Schach-Hans-Dampf-in allen-Gassen, und Krone-Chef Hans Dichand zurück. Da flogen die Fetzen bis zur Gerichtsanhängigkeit. Und Dichand soll gesagt haben: "Solange ich lebe, kommt mir nie mehr Schach in die Krone!"

PS: Schauen Sie mal auf die Nummerierung!


Nr. 31: Worauf es ankommt (17.10.03)

Fast hätte ich soeben einen Auffahrunfall gebaut. Hängt doch allerorts ein Werbeplakat mit Schach herum. Nicht FÜR Schach, aber immerhin MIT Schach. Wie erfreulich, dass sich die Werbewirtschaft der positiven Attribute des Schachs bedient.

Wir haben ja seinerzeit eine große Werbekampagne FÜR Schach vorgeschlagen. Und dafür bereits massenhaft Fotos in der Schublade. Das Affichieren von Portraits von Schachspielern, und darunter der Text: "Trotzdem Schach spielen!"

(Ich entschuldige mich halbherzig für diesen geschmacklosen Scherz. Jetzt grübeln immerhin alle, die je von mir fotografiert wurden.)


Uniqa

Also, zurück zum Uniqa-Werbeplakat, ein wirklich schönes Bild, ein Meisterfoto. Nicht nur die Tatsache des Sujets überhaupt ist erfreulich, sondern auch der richtige Beistrich im Text. Aber was die Hauptsache ist, die Figuren stehen richtig! Oh Wunder! Keine Fantasiestellung wie üblich (in anderen Tagebuchgeschichten zuhauf zu sehen), eine sinnvolle, alltägliche Stellung.

So viel erkennt man: König g1, Dame e2, Türme f1 und d1, Springer c3 und f4, Läufer b2, Bauern h2, g2, f2, d3, b3, a2. Sollte es gelungen sein, dass in Verbindung mit Schach alles richtig ist?

Nein. Wieder nicht. Was ist falsch?

? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ?

Auflösung:
In der Brille sieht man die Stellung doch gespiegelt! Damit sind zwei Anfänger am Werk, die nicht einmal das Brett richtig aufstellen können! Es ist um 90 Grad falsch aufgestellt (weißes Feld a1). Weiß hat (womöglich ein Feld zu weit) lang rochiert, und die Figuren stehen dämlichst herum.

Aber - kommt's darauf an?

PS 20.10.:
Aufgrund der massiven Leserreaktion stelle ich den philosophischen Gedanken in den Raum, ob der "Fehler" aus optischen Gründen bewusst gemacht wurde. Ich jedenfalls hätte ihn ung'schaut absichtlich eingebaut (und traue dies auch den Plakatmachern zu).
Denn wie wir ja wissen, ist es oft besser, etwas falsch zu machen. (Siehe dazu auch die Tagebuchgeschichten 6 und 26.)


Hier gehts zum aktuellen Tagebuch!
Nr. 21-30: Hier klicken!
Nr. 11-20: Hier klicken!
Nr. 1-10: Hier klicken!


oben Counter: Dia Projektoren