TAGEBUCH DER KURIOSITÄTEN

Kurioses & Amüsantes, Partiestellungen und Kombinationen, Anekdoten & Hoppalas
- überwiegend aus der gegenwärtigen österreichischen Schachszene.
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Nr. 50: Garris Rücktritt (12.3.05)

Eine These besagt, dass einschneidende Ereignisse dann am besten behalten werden, wenn man sie mit dem eigenen Schicksal verknüpft. So wissen fast alle nicht ganz Jungen, was sie gerade taten, als sie vom tödlichen Unfall Jochen Rindts oder vom Einsturz der Reichsbrücke erfahren haben. Und wer von uns erinnert sich nicht daran, was er am 11.September 2001 gemacht hat?

Auf köstliche Weise persiflierte Hugo Wiener im Chanson "So was vergisst man nicht", wie sich eine Hausfrau an sämtliche politischen Ereignisse, angefangen März 1938, erinnert. Ganz einfach: Sie weiß, was sie jeweils gekocht hat und dass der Hund den Tafelspitz gefressen hat, wie der Hitler einmarschiert ist.

Ergo steht fest, dass ich mich an Garri Kasparows Rücktritt mein Leben lang erinnern werde. Am Freitag, den 11.3 2005, um exakt 9.47 Uhr klingelte mein Handy, das ich mühsam hervorkramte. Empfang: gerade noch ein Balken. Die Kurier-Redaktion wollte wissen, was dran sei an der Agentur-Meldung, dass Kasparow das Ende seiner Profi-Karriere bekanntgegeben habe.

Ich hatte Mühe, im Gleichgewicht zu bleiben und war schweißgebadet und ziemlich atemlos. Nachher auch noch baff. Doch ein ungewöhnlicher Ort für so eine Nachricht.




Nr. 49: Schnipp-Schnapp (26.2.05)

Wiedermal kostete elementares und kollektives Schach-Unwissen Unmengen von Geld, diesmal mindestens 16.000 Euro. Millionenshow in RTL, die 32.000-Euro-Frage. An der Höhe der Frage sieht man schon, wie das Redaktionsteam den Stellenwert des Schachs einschätzt. - Danke. (Aber leider zurecht.)

Welcher dieser Begriffe wird beim Schach verwendet:
Läufermesser - Damenschere - Springergabel - Bauernlöffel

Die Kandidatin wählte den Publikumsjoker und vertraute dessen Ergebnis: "Damenschere".

Nicht ausgeschert. Daher ausgeschnipselt.


Nr. 48: Unser Steff (6.2.05)

Kaum zu glauben. Kein falsches Eckfeld, keine wirre Stellung, keine unmöglichen Züge. Alles stimmt. Erstmals erscheint dieses Bild von Stephan Eberharter. Steff hat, in normaler Stellung (könnte ein geschlossener Sizilianer gewesen sein) zwei Bauern und einen Springer mehr, den er offenbar soeben geschlagen hat. Sollte das gar das einzige Schach-Prominentenfoto sein, wo beim Schach alles stimmt?

Wie auch immer, eines steht fest: Klarer Sieg von Steff gegen Hermann Maier (siehe Tagebuchgeschichte Nr. 13) !

STEPHAN EBERHARTER
HERMANN MAIER

beide Fotos: News/ Zach-Kiesling


Nr. 48: Ball-Utensil (3.2.05)

Opernball. Soeben verrät der unvergleichliche Kari Hohenlohe im Fernsehen, was sein Ball-Täschchen beinhaltet: Ein kleines Magnetschach! Falls es fad wird.

Mir stellen sich zwei Fragen:
a) Ist er der Einzige?
b) Hat Mausi Lugner auch ein Magnetschach dabei?


Nr. 47: Kurz & bündig (26.1.05)

So viele inhaltsleere, überfüllte, oberflächliche Schachbücher werden geschrieben. Eben entdecke ich in den unglaublichen "Notes" des Kult-Schachhistorikers Edward Winter (nur für Hartgesottene: www.chesshistory.com/winter) das inhaltsreichste, kürzeste, präziseste.

Der Leipziger Herausgeber Adolf Rögner veröffentlichte 1880 ein Schachbuch namens "Spielregeln für Nicht-Mitspieler", und zwar die "Vierzehnte, verbesserte Auflage". Es bestand aus Cover und Titelseite (links), einer Rückseite (betreffend Rögners Verlagsangebot) sowie einer einzigen Seite (unten rechts): "§§ 1-101: Halt's Maul!!"


Präzision
Wer was zu sagen hat,
hat keine Eile.
Er lässt sich Zeit und sagt's
in einer Zeile.
(Erich Kästner)


Nr. 46: Die Frage (26.12.04)

Das schönste schachliche Weihnachtsgeschenk war für mich diesmal die Kurier-Schachecke vom Weihnachtstag. Warum sollte man sich nicht selbst ein Geschenk machen?

Als ich diese Komposition von Mark Adabashev vor einiger Zeit zum ersten Mal sah, traute ich meinen Augen kaum. Fein säuberlich wird die Stellung jedesmal eine Reihe nach oben gerückt.

Karajan hat einmal auf die Frage, warum er nicht selbst komponiert, geantwortet:
"Warum soll ich schlechte Musik schreiben, wenn es so viel gute gibt?"

Analog dazu stelle ich mir wiedermal die Frage: Warum sollte man eigentlich noch selbst Schach spielen ...?

1
2
3
4

M. Adabashev, Vierfach-Rückzüger 1938:
Weiß nimmt seinen letzten Zug zurück und setzt stattdessen in einem Zug matt!
Jede der vier Stellungen hat ihre eigene Lösung.

Hier die Lösung:
1) Zurück c2-c4, stattdessen 1.d4-d5#.
2) Zurück b4xc5, stattdessen 1.d5xc6 e.p.#.
3) Zurück b5xc6 e.p., stattdessen 1.d6-d7#.
4) Zurück c6-c7, stattdessen d7-d8S#.


Nr. 45: No sports (17.11.04)

Endlich auch amtlich: Schach ist Sport. Die BSO (Bundessportorganisation) hat den ÖSB (Österreichischen Schachbund) als ordentliches Mitglied aufgenommen. Und viele Schachfreunde, nicht nur verständlich euphorische ÖSB-Funktionäre, fordern vehement die Schachberichterstattung im Sportbereich der Medien, im Sportteil der Tageszeitungen.

Schach im Sportteil? Urteilen Sie selbst.

Alltagsgeschichte

14.7.2004: Rustam Kasimdschanow wird Schachweltmeister. Ich rufe bei meiner Kurier-Leben-Redaktion an, schildere die an sich tolle Story über den "unbekanntesten Schachweltmeister aller Zeiten" und meine sinngemäß, das müsse doch eine mittlere Geschichte samt Foto wert sein, außerhalb der wöchentlichen Schachkolumne. Ich erfahre, neuerdings interessiere sich die Sportredaktion für Schach.

Warum nicht, denke ich, telefoniere alsdann mit dem diensthabenden Sportchef. Der ist begeistert: "Sehr gut, machen wir einen 70-er plus Foto." (70 Zeilen sind nicht gerade üppig, aber wenigstens was.)

"Ach ja", sagt er, "heut' abend ist eine Fußball-Bundesliga-Runde, die braucht Platz, das heißt, der 70-er erscheint nur in der Abendausgabe, für die Morgenausgabe müssen wir dann etwas kürzen." Kürzen hört man ungern, rein schachlich gesehen. Da geht meist ein Nichtschachspieler über den Text drüber...!

Also gut, 70 Zeilen. Kostet mich inklusive recherchieren, telefonieren, formulieren, formatieren, e-mailieren gut drei Stunden Arbeit. Seufz, und das meiste nur für die weniger gelesene Abendausgabe...!

Kurier vom 15.7.2004:
Abendausgabe
: 26 Zeilen plus Foto 5x3 (!) cm. Kaum zu sagen, was weniger zu erkennen ist: Mein ursprünglicher Text oder Kasimdschanow.
Morgenausgabe: Null Zeilen. Foto 0x0 cm.
30 Zeilen über die letzten 5 Minuten Tirol-GAK.

 

Die Sportredaktionen müssen neben den überdimensionierten Dauerbrennern Fußball, Schi und Formel 1 noch hunderte Pimperlsportarten betreuen. Die Armen haben genug am Hals. Da kann Schach nur untergehen.

Bitte um Bedacht! Schach fährt medial viel besser, wenn wir betonen, dass es weit mehr ist als eine der unzähligen Sportarten. Kultur, Wissenschaft, Kunst, Philosophie, Unterhaltung, Spaß - was auch immer.

Ich für meinen Teil bevorzuge: Schach und Zeitung please, no sports.


Nr. 44: Mariandl (11.10.04)

"Mariandl" läuft im Fernsehen, gerade als ich zur Samstag-Runde aufbreche. Wer hätte gedacht, dass "Mariandl" das ideale Schachspieler-Lied ist?

Ich muss etwas gestehen. Ich leide an an einem bedauerlichen Tick. Vielleicht hat ihn mancher Gegner sogar schon bemerkt und fassungslos an eine akustische Täuschung geglaubt. Also: Jedesmal, wenn ich etwas einstelle, summe ich zwanghaft, ohne Wissen und Wollen, das Lied "Mariandl, andl, andl..."

Gewiss erinnert sich jeder an den Text:

Mariandl andl andl aus dem Wachauerlandl landl.
Dein lieber Name klingt schon wie ein liebes Wort.
Mariandl andl andl du hast mein Herz am Bandl Bandl.
Du hältst es fest und lässt es nimmer wieder fort.

Und jedes Jahr stell ich mich ein.
Dran ist der Donaustrom nicht schuld und nicht der Wein.
Ins Wachauerlandl landl zieht mich mein Mariandl andl.
Denn sie soll ganz allein nur mein Mariandl sein.

Wenn ich also einen groben Fehler mache, beginne ich stets mit Vers 2 und summe resignierend:

"Und jedes Jahr stell ich was ein.
Dran ist der Donaustrom nicht schuld und nicht der Wein."

(Allfälliger Zusatz: "Nur ich allein."
Oder: "I
ch blödes Schwein." Je nachdem.)

Warum sollte auch der Donaustrom schuld sein? Über den Wein lässt sich ja noch streiten. Und "jedes Jahr" ist leider auch eine äußerst beschönigende Darstellung.


Nr. 43: Weiße Dame, weißes Feld, ... (8.10.04)

Ja, lustig gemacht hab' ich mich in den Tagebuch-Geschichten Nr. 13, 22, 27, 31, 32 über seltsame Bretter und vertauschte Figuren. Aber wie sollen die Laien wissen, wie's gehört, wenn selbst die Weltmeisterschafts-Macher... !?

Hier das offizielle WM-Plakat:

Der Großmeister der Schachkuriositäten, Tim Krabbé, hat in seinem Tagebuch (Geschichte Nr. 259) noch krassere Beispiele zusammengestellt und bemerkt launig: "Vielleicht herrschen auf einem 8x12(14)-Brett andere Sitten."


Nr. 42: Sklaven (26.9.04)

Jünglinge sah ich die Jugend, Männer die Vollkraft der Jahre,
Greise die spärliche Glut opfern dem geistigen Kampf.

Ja genau.
Wer dem Hexameter ebenso wie dem Schach verfallen ist, möge auf die neue Rubrik "Schach-Gedichte" (Menü Allerlei) klicken.

Sklaven sind wir doch alle, auch da, wo wir Herrscher uns dünken:
Unwiderstehlich beherrscht uns das dämonische Brett.

Wie wahr.


Nr. 41: Glück (13.9.04)

"Ich möchte mich herzlich bei Ihnen bedanken", spricht mir Herr Ing. K. M. aus Wien 20, mit dem ich nie zuvor in Kontakt war, auf meinen Anrufbeantworter. "Nämlich zu dem grandiosen Bonus-Spiel in Ihrem Seminarprogramm vom Frühjahr. Ich habe wochen-, ja monatelang darüber gebrütet und habe mich schon so auf die Auflösung im Herbstprogramm gefreut. Auf die Lösung wäre ich nie gekommen."

Das hat mich sehr gefreut. Erstens die Nachricht an sich, zweitens, dass sich jemand so mit einem einzigen Schachproblem beschäftigt. Wie wird Glücksforscher Mihàly Csikszentmihàly in der Krone zitiert: "Flow bezeichnet jenen Zustand, in dem ein Mensch ganz in dem aufgeht, was er tut. Hochkonzentriert, beseelt und spontan gerät er dabei in eine Art Trance. Er ist ganz im Hier und Jetzt und vergisst alles um ihn herum."

Csikszentmihàly weiter: "Zum ersten Mal habe ich so einen Moment im Krieg erlebt. Damals fand ich heraus, dass ich nur beim Schachspielen alles Bedrohliche vergessen konnte."

Beim Schach also! Möge Herr Ing. K. M. aus Wien 20 den langen Flow genossen haben.


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